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So kann’s gehen: Darf ich die Zeitung liegen lassen?

Kürzlich ermahnte mich ein Mitreisender im ICE, weil ich eine ausgelesene Zeitung nicht weggeworfen habe, sondern in dem Netz vor mir stecken ließ. Das habe ich nicht aus Faulheit getan, sondern weil ich dachte, dass sich dann vielleicht ein anderer darüber freut.

Kürzlich ermahnte mich ein Mitreisender im ICE, weil ich eine ausgelesene Zeitung nicht weggeworfen habe, sondern in dem Netz vor mir stecken ließ. Das habe ich nicht aus Faulheit getan, sondern weil ich dachte, dass sich dann vielleicht ein anderer darüber freut. War das so falsch?

Für den tadelnden Mitreisenden war es eben nichts als eine ausgelesene Zeitung, also Müll, der in den Papierkorb gehört. Für Sie war es ein Füllhorn von Informationen und Anregungen, das Ihnen eine Zeit lang Abwechslung bereitet und die Reise verkürzt hat. Das hätten Sie dem anderen Passagier ruhig sagen können und auch, dass Sie hoffen, damit einem gelangweilten Menschen eine Freude zu bereiten. Zwar kann man in manchen Zügen auch Zeitungen kaufen. Aber da kommt nicht jeder drauf, der gerade ohne Lektüre unterwegs ist. Man müsste sich sowieso erst auf den Weg in den Speisewagen machen. Natürlich kann man den Einwand Ihres Mitreisenden verstehen. Man soll ja seinen Sitz so hinterlassen, dass er den Putzteams nicht unnötig viel Arbeit macht und von den Nachfolgern mit Behagen eingenommen werden kann. Die winzige Extramühe der Serviceteams schlägt in diesem Fall gewiss nicht so sehr ins Gewicht wie die Chance, einem Fremden unverhofft eine interessantere Reise zu bescheren und eine Lektüre zu ermöglichen, auf die er von selbst gar nicht erst gekommen wäre. Um diese Absicht unmissverständlich zu machen, könnten Sie einen freundlichen Zettel an die Zeitung heften, welchen Artikel Sie zur Lektüre besonders empfehlen würden. Das schafft ein Band zu dem Unbekannten und würde den Kritiker entwaffnen.

Wenn Sie eine Zeitung so mögen, dass Sie ihr mehr Leser wünschen, dann sollte sie freilich nicht zugekrümelt sein und sorgfältig zusammengefaltet werden.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

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