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Der Schatten einer Echo-Trophäe

© dpa/Jens Kalaene

Deutscher Musikpreis: Das Echo-Debakel ist eine Chance

Die Entscheidung, den Echo abzuschaffen, ist richtig. Doch die Debatte um menschenverachtende Rap-Texte muss weitergehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Nadine Lange

Endlich einmal eine gute Echo-Nachricht: Der Preis wird abgeschafft. Das beschloss der Vorstand des Bundesverbandes Musikindustrie in einer außerordentlichen Sitzung. Es ist die einzig richtige Entscheidung nach dem Desaster der letzten Verleihung und der nicht abreißenden Kritik daran. Seit der Gala in Berlin, bei der den Hass-Rappern Kollegah und Farid Bang der Preis für das beste Hip-Hop-Album verliehen worden waren, haben von Marius Müller-Westernhagen bis Daniel Barenboim zahlreiche Musikerinnen und Musiker ihre Echos zurückgegeben. Der mit dem Ehren-Echo ausgezeichnete Klaus Voormann behielt die Trophäe nur drei Tage. Die 17-fache Echo-Gewinnerin Helene Fischer bezeichnete den Auftritt des antisemitischen, homo- und frauenfeindlichen Düsseldorfer Duos als beschämend.

Der Musikverband hätte sich diesen völlig berechtigten Ärger, der ihm auch seitens jüdischer Verbände und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters entgegenschlug, vermeiden können, wenn er nicht so starrsinnig an seinen an Verkaufserfolgen orientierten Nominierungskriterien festgehalten hätte. Im vergangenen Jahr erst hatten die Macher des seit 1992 vergebenen Preises die Regularien reformiert, nachdem es mehrfach Kontroversen um Nominierungen für die volkstümelnde, aus Südtirol stammende Rockband Frei.Wild gegeben hatte.

Der Echo wurde seiner Bedeutung nicht mehr gerecht

Es wurden Fachjurys eingeführt, deren Votum in die Entscheidung einfließt. Doch setzten sich die Kandidatenlisten auch weiterhin aus den fünf Bestplatzierten der Vorjahrescharts zusammen. Und weil Rock und Rap mit geschmacklosen Texten in Deutschland eben sehr beliebt sind, wurden diese Acts weiterhin eingeladen.

Der Echo war bislang der wichtigste deutsche Musikpreis. Das hat ihm auch aus Mangel an Alternativen automatisch eine immense Bedeutung und Strahlkraft verliehen, denen er aber spätestens seit der Entscheidung seines Ethikrates, das Album von Kollegah und Farid Bang nicht von der Nominiertenliste zu nehmen, nicht mehr gerecht wurde. Es geht eben nicht darum, dass in einem Supermarkt der Mitarbeiter des Monats gekürt wird, sondern um eine prestigeträchtige medienwirksame Auszeichnung, die auch im Ausland wahrgenommen wird. Und wenn ausgerechnet am israelischen Holocaust-Gedenktag in Berlin zwei Männer bei der live übertragenen Echo-Show auf der Bühne stehen, die Shoa-Opfer mit ihren Raps beleidigen, sendet das eben auch ein gesellschaftliches Signal. Die missratene Show konterkarierte die Verteidigungsversuche des Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbandes. Er sprach vor der Verleihung davon, dass es nicht Aufgabe eines Wirtschaftsverbandes sei, „freiverkäufliche Produkte im Nachhinein zu be- oder entwerten“.

Die Hass-Rapper haben ihr Label verloren

Doch die Aufwertung und die Gratis-PR, die Kollegah und Farid Bang durch den Skandal erfuhren, war riesig. Ihr noch immer nicht indiziertes Album „Jung brutal gutaussehend 3“ bekam dadurch nochmals einen Verkaufsschub. Dass die Bertelsmann Music Group nun die Zusammenarbeit mit ihnen beendet hat, werden sie verschmerzen. Kollegah gründete bereits 2016 sein eigenes Label.

Das Debakel hat jedoch auch positive Aspekte. Es hat gezeigt, dass sich in Deutschland – wenn auch zeitverzögert – lauter Widerspruch gegen antisemitische Inhalte erhebt. Überdies werden nun auch der Frauen- und Homosexuellenhass des Gangster-Raps stärker thematisiert. Diese Aspekte sind in den Texten sogar noch präsenter als die judenfeindlichen Sprachbilder.

Ein von den Mainstream-Medien zu lange ignoriertes Genre ist in den Fokus gerückt, eine Diskussion über Grenzen der Provokation und die Sprache der Schulhöfe ist in Gang gekommen. Das war überfällig.

An die Stelle des Echos könnte ein Jurypreis treten

Denn mit einer ihren gängigen Kritik-Abwehrstrategien haben die Rapper ja recht: Sie spiegeln, was in diesem Land los ist. Und sie repräsentieren eine junge, größtenteils männliche Gruppe, die sehr aggressiv auf ihre häufig von Kindesbein an erfahrenen Ausgrenzung reagiert, wobei sie auf reaktionäre Rollenbilder und Wertvorstellungen zurückgreift. Die Debatte muss also noch viel grundsätzlicher geführt werden. Dass Alben mit menschenverachtenden Texten in Zukunft hoffentlich schneller indiziert werden, weil nun besser hingehört wird, kann dabei nur ein Aspekt sein. Den Erfolg dieser Musik beim jungen Publikum wird das ohnehin nur wenig bremsen können.

Mit großen Preisen werden Kollegah und Co. wohl nicht mehr ausgezeichnet. Der Bundesverband der Musikindustrie will sich nun einen Nachfolger für den Echo ausdenken – das gilt auch für die Jazz- und Klassik-Echos, die ebenfalls abgeschafft werden. Der Verband verspricht, die Kriterien der Nominierung und Preisvergabe vollständig zu verändern. Es ist die Chance, endlich einen an künstlerischen Kriterien orientierten Jurypreis einzurichten – unabhängig und vielleicht sogar skandalfrei.

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