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Paul Spies, neuer Direktor des Stadtmuseums Berlin.

© dpa

Neustart für das Berliner Stadtmuseum: Das große Entrümpeln

Zurück in die Zukunft an fünf Orten: Paul Spies, seit Februar 2016 Direktor der Berliner Stadtmuseums, stellt seinen Masterplan für die fünf Stätten der Stiftung vor.

Das Märkische Museum ist ein Ort, der darauf wartet, von einem Prinzen wachgeküsst zu werden. Das Haus, 1874 auf Initiative der Berliner Bürgerschaft gegründet, verfügt mit 4,5 Millionen Objekten über eine europaweit einmalige Sammlung. Aber bei den Besucherzahlen gibt es Luft nach oben. 2014 waren es an allen fünf Standorten der Stiftung Stadtmuseum Berlin rund 200 000. Der Prinz, der sie wiederbeleben möchte, heißt Paul Spies, seit Februar Direktor der Stiftung. Der Niederländer, der vom Amsterdam Museum kam, ist gleichzeitig Chefkurator des Landes Berlin im Humboldt-Forum. „Stadtmuseen haben das Potenzial, die Analysten und Katalysatoren der Stadtidentität zu sein“, sagt er. Seine Pläne für die Neugestaltung der ihm anvertrauten Häuser: Ausstellungen entrümpeln, die Partizipation der Besucher stärken, den Einsatz von Web-Angeboten und sozialen Medien ausbauen.
Am größten sind, neben dem Humboldt-Forum, die Ambitionen beim Märkischen Museum, wie Spies bei der Vorstellung seiner Ideen am Montag eben dort betont, gleich nachdem er die Medienvertreter per Powerpoint-Schnelldurchgang durch den von ihm konzipierten Berlin-Trakt im Humboldt-Forum geführt hat. Das Stammhaus, 1908 eröffnet, ist stark sanierungsbedürftig. Für den Umbau, voraussichtlich ab 2019, stehen 65 Millionen Euro von Bund und Land zur Verfügung, inbegriffen das benachbarte marode Marinehaus. Der bisherige Rundgang „Hier ist Berlin“ führt über zwei Etagen an einer Unzahl von Objekten vorbei, „das Narrativ ist unklar“, heißt es in Spies' 100-seitigen Masterplan für die Zukunft des Hauses.

"Berlin ist eine Baustelle", so der Arbeitstitel der künftigen Schau im Märkischen Museum

Anstelle des bisherigen dunklen Foyers, das „wie aus der Zeit gefallen“ wirkte, sollen die Besucher künftig von einem serviceorientierten, attraktiven Eingangsraum empfangen werden. Ein Aufzug führt zur Aussichtsplattform auf dem wuchtigen neogotischen Museumsturm. Die Ausstellung, eine Kurzfassung der Berliner Geschichte mit dem Arbeitstitel „Berlin ist eine Baustelle“, beschränkt sich auf das erste Obergeschoss. Der Rundgang, der bereits von 18 Mitarbeitern geplant wird, ist für einen Aufenthalt von 45 bis 60 Minuten konzipiert. Gezeigt werden unter anderem der Goldschatz von Seddin, Edvard Munchs Rathenau-Porträt und ein Quadriga-Pferdekopf vom Brandenburger Tor. Im zweiten Obergeschoss sollen, neben Waffenhalle, Zunftsaal und Gotischer Kapelle vier Räume als wechselnde Schaudepots dienen. Das Marinehaus wiederum fungiert als „Museums- und Kreativquartier“, mit Berlin-Labor, einer Werkstattbühne und „Coworking Spaces“ für Bildungs- und Veranstaltungszwecke. Der Museumsstandort sei „nur schwer zu entdecken“ und „kein touristischer Hotspot“. Optimistisch erklären die Verfasser der Studie, dass das Museum künftig über die wiederaufgebaute Waisenbrücke für Fußgänger und Radfahrer erreichbar sein könne. Die Finanzierung? Bislang unklar.

4,5 Millionen Objekte sollen bis 2020 digitalisiert sein

Paul Spies ist ehrgeizig. Das Ephraim-Palais, heißt es in der Zukunftsstrategie, soll sich als Kunst- und Ausstellungshalle etablieren, „auf gleicher Augenhöhe wie der Martin-Gropius-Bau“. Präsentieren wolle man „Berliner Lebensgefühl“. Das setzt allerdings den Einbau von Klimatechnik für empfindliche eigene Objekte oder Leihgaben voraus, Kostenfaktor unklar. Die Nikolaikirche, vor allem von Touristen besucht, wird weiter die Geschichte des sakralen Ortes zeigen. Daneben soll es nach dem Vorbild der Oude Kerk in Amsterdam von Gegenwartskünstlern bespielt werden, gerne spektakulär. Und als Ort für die politische Debatte eignet sich das Gotteshaus auch noch. Paul Spies sprüht förmlich vor Ideen, will auch die Personal-Organisation flexibilisieren. Bloß nicht zuviel Hierarchie. Ja, der Holländer, der die deutsche Gründlichkeit aufmischt, sagt er selbstironisch. Was die Frage nach der Finanzierung von alldem betrifft - es gilt ja auch noch, die 4,5 Millionen Objekte bis 2020 zu inventarisieren und zu digitalisieren -, ist er zweckoptimistisch. Wäre doch gelacht, meint er mit Blick auf die Wahl im September, wenn das Thema Stadtmuseum nicht in der nächsten Koalitionsvereinbarung auftaucht.

Weiter im Parcours. Im Knoblauchhaus mit seiner Biedermeier-Ausstellung werden die Ausstellungsinhalte präzisiert: das Biedermeier als Vorstufe der Bürgergesellschaft. Und im Museumsdorf Düppel sollen die oft jungen Besucher aus Vorgeschichte und Mittelalter für die Zukunft lernen, Ökologie und Nachhaltigkeit stehen hier auf der Agenda, Geschichte zum Anfassen, Geschichte zum Mitmachen. Dafür werden auch archäologische Stücke aus dem Märkischen Museum nach Zehlendorf transferiert. Kulturgeschichte als Kreisverkehr.

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