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Kultur: Das Kinodebüt von 1913 läuft im Rahmen der Retrospektive "Künstliche Menschen"

Um einer Frau das Lächeln auszutreiben, genügt in der Regel ein Frosch. Ein jäher Sprung auf ihren entblößten Arm - nein, das malen wir uns nicht aus.

Um einer Frau das Lächeln auszutreiben, genügt in der Regel ein Frosch. Ein jäher Sprung auf ihren entblößten Arm - nein, das malen wir uns nicht aus. Stellen wir uns die Holde lieber mit einem verzweifelt röchelnden Verehrer vor, dem eine Gräte quer im Schlunde sitzt. Noch immer nur beharrliches Grinsen? Und es dauert an, als die unermütlich Gutgelaunte im Schlafzimmer von einem vermeintlichen Apachen mit Dolch und Revolver attackiert wird? Nun wird es selbst dem deppertsten Galan dämmern: Meine Traumfrau ist eine Puppe.

"Die ideale Gattin", eine Burleske in zwei Akten aus dem Jahr 1913, produziert von der Deutschen Bioskop in Berlin, fände unter Filmkundlern wohl kaum weitere Beachtung, wäre das rund zehnminütige Filmchen nicht das Kinodebüt von Ernst Lubitsch. Das Werk galt als verschollen, wie so viele von Lubitschs frühen Auftritten vor der Kamera. Und es ist schon eine Sensation, dass die 444 Meter Film ausgerechnet jetzt, zur Jubiläumsberlinale, wieder aufgetaucht sind und sogar perfekt in die diesjährige Retrospektive "Künstliche Menschen" passen.

Bereits zwei Mal waren dem am 29. Januar 1892 in Berlin geborenen Lubitsch eigene Retrospektiven gewidmet, zuletzt 1984. "Eine Kopie des Films ist nicht nachzuweisen", bilanzierte damals Wolfgang Jacobsen, Filmhistoriker bei der Stiftung Deutsche Kinemathek, in seiner für das Begleitbuch erstellten Filmografie. Dabei muss "Die ideale Gattin" schon damals zu den Beständen der Kinemathek gehört haben, ohne dass jemand von dem verborgenen Schatz wusste. Fündig wurde man jetzt ausgerechnet in dem umfangreichen Material, das 1985 in Koblenz, beim Deutschen Bundesarchiv, hinterlegt worden war. Für die feuergefährlichen Nitrokopien, die sich bei unsachgemäßer Aufbewahrung schon mal von selbst entzünden, hatte man am Rhein einfach die besseren Lagermöglichkeiten.

Das Aufspüren und Identifizieren des Films - Lubitsch spielt in einer Nebenrolle den Herrn Krispin, seines Zeichens "Heiratsvermittler für penible Herren" - kam schon einer Detektivarbeit gleich, berichtet Helmut Regel, langjähriger Oberarchivrat in Koblenz. Den Griff ins richtige Regal verdankte er noch dem Zufall. Wieder hatte er sich einen Stapel Filmrollen aus noch unbearbeiteten Beständen gegriffen, um sie zu sichten, zu katalogisieren, zu restaurieren. Darunter war auch "Die ideale Gattin", aber das konnte man nicht ahnen: Der Vorspann fehlte. Solche Lücken machen Filmhistorikern oft zu schaffen. Nach der regulären Kinoauswertung, so erzählt der Archivar, gelangten die Spulen oft an Altwarenhändler, wurden über Flohmärkte restverwertet. Um möglichem Urheberstreit aus dem Wege zu gehen, schnitt man den Vorspann mit den Namen der Beteiligten kurzerhand weg. Zwar fanden sich auf einem Zwischentitel der Name der Deutschen Bioskop in der Friedrichstraße 236 sowie die Produktionsnummer. Es wäre nun ein Leichtes gewesen, den Film so zu identifizieren. Aber ausgerechnet bei dieser Nummer erwies sich der befragte Spezialkatalog als lückenhaft.

Immerhin konnte Helmut Regel den Hauptdarsteller Paul Biensfeldt erkennen, dessen tragikomischer Held erst mit einer Weiberwirtschaft aus Mutter, Tanten, Schwestern und Kousinen geschlagen ist und sein Heil ausgerechnet bei einer ewig lächelnden Schaufensterpuppe sucht. Über diesen Umweg schloss der Filmhistoriker auf "Die ideale Gattin", spekulierte dann, dass es sich bei dem bärtigen, schon ergrauten Heiratsvermittler um den damals erst 21-jährigen Ernst Lubitsch, Kleindarsteller an Max Reinhardts Deutschem Theater, handeln müsse. Der hatte auch auf der Bühne häufig viel ältere Personen dargestellt.

Letzte Sicherheit kam wieder aus Berlin. Man sollte im Schriftarchiv der Kinemathek nachforschen, schlug Martin Körber, dort als Filmhistoriker tätig, vor. Und tatsächlich: Es fand sich ein alter Programmzettel mit dem Inhalt und den Namen der wichtigsten Beteiligten, darunter Lubitsch. Damals war er noch so unbekannt, dass man ihm den falschen Vornamen gegeben hatte: Karl.

Fast 87 Jahre nach der Uraufführung kann der Film nun wieder gezeigt werden, in einer restaurierten Farbfassung, die dem Original sehr nahe komme, verspricht Helmut Regel. Das Verfahren der Viragierung, der nachträglichen Einfärbung, war weit verbreiteter, als die heute meist gezeigten Schwarzweißkopien ahnen lassen. Sehr groß war das Spektrum freilich nicht, Feuersbrünste waren eben rot, Nachtszenen blaugrün, Boudoirinterieurs rosa. Der Regisseur "der idealen Gattin" ist nicht bekannt, wahrscheinlich war es Hanns Heinz Ewers, der neben einem gewissen Marc Henry als Autor auftrat und dessen Name mit so Gegensätzlichem wie dem Film "Der Student von Prag" und dem Roman "Horst Wessel" verbunden ist. Lubitsch selbst stand erst zwei Jahre später auch hinter der Kamera, hatte sich aber in der kurzen Zeit vom Nebendarsteller zum Kassenstar entwickelt. Mit der Aufsteigerfigur des tolpatschigen, schwadronierenden und herumpoussierenden Lehrlings, der zuletzt stets ein hübsches Mädel und am besten gleich die ganze Firma ergattert, war er rasch festgelegt, das Rollenangebot stagnierte. Lubitsch war gezwungen, sich seine eigenen Rollen zu schaffen, in Einaktern, die er gleich selbst inszenierte: "Und so wurde ich Regisseur. Wäre meine Schauspielerkarriere glatter verlaufen, wäre ich vielleicht nie Regisseur geworden.""Die ideale Gattin" läuft morgen, 18 Uhr, im Cinemaxx 9, gemeinsam mit "Das Eskimobaby" (Hauptrolle: Asta Nielsen).

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