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Metallica 2018 bei einem Auftritt zusammen mit dem San Francisco Symphony Orchester. Im Mittelpunkt: Sänger und Gitarrist James Hetfield

© imago images/Everett Collection

Das Rockjahr 1991: Metallicas schwarzes Album: Die Kraft der drei Herzen

Vom Metal zu Rock, vom Thrash zu "Enter Sandman" und "Nothing Else Matters": Was die Metallica des Jahres 1991 mit Marcel Proust zu tun haben.

Beginnt man das sogenannte schwarze Album von Metallica zu hören, strömt sie sofort aus den Erinnerungsspeichern, die Rockatmosphäre der frühen neunziger Jahre, die Zeit, in der Rock bisweilen die coolste Musik auf dem Planeten Pop war.

Das liegt an diesen eingangs so sanft angeschlagenen Gitarrenakkorden von „Enter Sandman“, dem Eröffnungsstück des Albums, auf die dann das schwere Schlagzeug und der Metal-Bass folgen. Der gesamte Song basiert schließlich auf einem einzigen, enorm signifikanten, unvergesslich eingängigen und tanzbaren Riff.

Ein Metalstück? Klar, da sind die Stimme von James Hetfield und der Bass von Jason Newsted, und doch lief „Enter Sandman“ in jedem Rockradio und Rockclub. 

Von "Headbanger´s Ball" zu "Monster of Rock"

Dieses fünfte Album von Metallica mit seinem schwarzen Cover und der weißlich schimmernden Schlange rechts vorn drauf wurde in Folge mit über 16 Millionen Exemplaren nicht viel weniger verkauft als beispielsweise das Eagles-Album „Hotel California“. Und es gibt gerade in den USA bestimmt nicht wenige Menschen, die beide Alben in ihrem Plattenschrank stehen haben.

Metallica, die in den achtziger Jahren neben Slayer oder Anthrax zu den führenden Thrash-Metal-Bands gehörten, brachen in den Rock-Mainstream ein. Sie wechselten beispielsweise auf MTV von „Headbanger’s Ball“ ins Hauptprogramm und spielten mit Guns’n’Roses, Pearl Jam oder Soundgarden auf den „Monster-of-Rock“-Festivals.

Dafür sorgte natürlich grundsätzlich die rocklastige Entwicklung im Pop, hin zum Grunge, zum Faible für schweren Siebzigerjahre-Riffs. Man denke nur an Soundgarden oder ein Allstar-Bandprojekt wie Temple of the Dog. Zum anderen verhielt es sich aber auch so, dass Metallica, als sie mit den Aufnahmen für dieses Album begannen, ihrer Musik ziemlich überdrüssig waren.

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Sie hatten genug von ihren arg akademisch, trocken und sauber geratenen Metal-Sounds, von der epischen Länge ihrer Stücke, von den Jazzfiguren. Um eine Neubestimmung ging es also. Dazu passt, dass sie das Album, als sei es ihr Debüt, schlicht nach sich selbst benannten.

In Bob Rock (sic!) fanden Metallica einen Produzenten, der vorher schon für Bon Jovi und Aerosmith gearbeitet hatte und für einen anderen, wärmeren Sound sorgen sollte, ohne natürlich die Metal–Basis der Band zu verleugnen.

Das Albumcover des 91er-Metallica-Albums "Metallica"
Das Albumcover des 91er-Metallica-Albums "Metallica"

© promo

Und James Hetfield, Gitarrist Kirk Hammett und Schlagzeuger Lars Ulrich schrieben Songs, die immer noch lang waren, aber sich zu großen Erzählungen auswuchsen: mit Refrains und einprägsamen Auf und Abs, mit hochenergetischen Entladungen und zähen Kriechspuren. „Enter The Sandman“ ist auf diesem Album nur einer unter vielen Rock-Hits.

Auch "The Unforgiven" sorgt für Madeleine-Momente

Auch „The Unforgiven“ beispielsweise sorgt mit seinem Refrain und den sich anschließendem Gitarrenplings sofort für Proustsche Madeleine- oder Pflastersteinmomente: „What I've felt / What I've known/ Never shined through in what I've shown / Never free / Never me /So I dub thee unforgiven“. Oder man höre das tonnenschwere Vor und Zurück von „Sad But true“ und wie Hetfield sein „Hey, hey, I'm your life, I'm the one who takes you there“ shoutet.

Und natürlich der späte Höhepunkt auf dem Album: die Metal-Ballade „Nothing Else Matters“. Wie Soundgardens „Black Hole Sun“ ließ dieses Stück die Balladen oder Halbballaden auf jedem Rock- und Metal-Album obligat werden – jeder Headbanger, jede Headbangerin wollte schließlich auch mal ein Feuerzeug in die Höhe halten und mit dem Partner oder der Partnerin eng umschlungen vor sich hin träumen.

Natürlich gibt es auch auf dem schwarzen Album Soli, lang ausgewalzte Stücke wie „My Friend of Misery“ oder Speedmetal wie „The Struggle within“, Gegniedel, viel röhrendes Gesprotze, kurzum: Metal-Generve, das nicht unbedingt Leuten Spaß macht, die mit Indie-, Punkrock oder den Stones groß geworden sind.

Trotzdem fällt es heute noch schwer, sich der melodiösen Kraft dieses Metallica-Albums zu entziehen, und erst recht natürlich seiner Fähigkeit, willkürliche wie unwillkürliche Erinnerungen hervorzurufen.

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