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Film: Das tapfere Mädchen

Immer hübsch bescheiden bleiben: Nach 18 Verfilmungen des Charlotte-Bronte-Klassikers „Jane Eyre“ folgt nun Cary Joji Fukunagas Version. Sie ist so solide wie das Gemäuer von Thornfield Hall

Mit Klassikerverfilmungen ist es wie mit Operninszenierungen. Ab und zu muss das Original wieder her, ohne Aktualisierungen und Regiefreiheiten. Cary Joji Fukunagas „Jane Eyre“ ist als 19. Leinwandversion von Charlotte Brontes Schauerroman so eine solide-klassische Adaption: mit Sturmböen und bleischwerem Himmel, Linnen, Hauben und romantischem Kerzenlicht, das über die düsteren Mauern von Thornfield streift. Und mit einer tapferen, ungeschminkten Heldin, die weiß: In dieser sittenstrengen Männerwelt hat sie nur eine Chance, wenn sie sich auf sich selbst verlässt, auf ihren Verstand. Eine feministische Botschaft, deren Gültigkeit erstaunt: Das Ideal einer innerlich freien Frau, die sich nach außen bescheiden und selbstbeherrscht gibt, ist offenbar nicht passé.

Zu Beginn eine Flucht: Jane Eyre (Mia Wasikowska) flieht aus dem Schloss ins Hochmoor, in Kälte, Regen und Schlamm, bricht vor einem abgelegenen Haus zusammen und erinnert sich als Genesende nach und nach an ihr eigenes Schicksal. An die freudlose Kindheit mit grausamer Tante und strengem Internat, an die Gouvernantenzeit auf Thornfield Hall, ihre heimliche Liaison mit dem Hausherrn Mister Rochester (Michael Fassbender), die nette Haushälterin (Judi Dench) und das Drama der mysteriösen Dachbodenbewohnerin, das sie hinaus in die Kälte trieb. So frei ist Fukunaga („Sin nombre“) dann doch, die Chronologie des Romans durch ein Rückblendengeflecht zu ersetzen.

Eine Verdichtung in schaurig-schöne ikonische Bilder gelingt ihm dabei nur selten, etwa bei der ersten Begegnung Janes mit Rochester mitten im Wald. Ein Pferd bäumt sich im Nebel auf und wirft seinen Reiter ab, unverhoffte Kollision der Geschlechter, schlagartiger Aufruhr des Begehrens. Später will Rochester das Mädchen, aber Jane geht einfach ab. Für das, was sich da beinahe ihrer Kontrolle entzieht, für die leidenschaftliche Liebe, findet der Film keinen Ausdruck. Umso mehr für die Konsistenz der Dinge, das Knarzen des Leders, das Rascheln der Kostüme, das allzeit getrübte, verschleierte, gleichsam verschluckte Licht. Aber Kino mit Originalinstrumentarium kennt man spätestens seit Stanley Kubricks „Barry Lyndon“. Und die Hochmoore als Seelenlandschaft hat Andrea Arnold in „Wuthering Heights“, 2012 auch bei uns im Kino, eindrücklicher in Szene gesetzt.

In sieben Berliner Kinos. OmU: Hackesche Höfe, Neues Off, OV: Cinestar Sony-Center

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