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Wortgewaltig. Ellison Renee Glenn alias Black Cracker.

© Cyrille Choupas

Black Cracker: Den Lichtschalter gefunden

Der Rapper und Dichter Black Cracker stammt aus Alabama und wohnt in Neukölln. Jetzt erscheint sein Album „Poster Boy“. Eine Begegnung beim Frühstück.

Er bleibt nie lang allein. Kaum hat Black Cracker ein paar Verse gerappt, schieben sich zwei Doppelgänger zu ihm ins Bild. Bis zu sechs Klone bewegen sich synchron durch die bunten Musikclips, die der 37- jährige Amerikaner kürzlich ins Netz gestellt hat. Auch seine Stimme ist dann häufig in mehrfacher Ausführung zu hören.

Ein vielschichtiger Typ. Das merkt man auch beim Gespräch an einem sonnigen Vormittag in einem Neuköllner Café unweit seiner Wohnung. Black Cracker ist noch ein bisschen müde und ein aufkommender Heuschnupfen plagt ihn, doch das hält ihn nicht davon ab, konzentrierte, ausführliche Antworten zu seinem eben erschienenen zweiten Soloalbum „Poster Boy“ zu geben. Darauf kombiniert er Old- School-Beats mit spukigen bis piepsigen Keyboardsspuren und assoziativ-wortgewaltigen Texten. Was oft zu einer düsteren, bedrohlichen Atmosphäre führt. „Ich weiß nicht, woher das kommt“, sagt der Musiker bei Frühstücksei und Cortado. „Eigentlich denke ist immer, ich mache einen fröhlichen Song – und dann wird es doch wieder ziemlich düster.“

Ein Grund dafür sind die Hall-Effekte, die er anwendet. Auch bei seinem verdoppelten Gesang. Diese bereits auf früheren Werken zu beobachtende Verfremdung hat fast schon Markenzeichencharakter, dabei entspringt sie einer Unsicherheit. „Ich fand, meine Stimme klang nicht gut, deshalb habe ich angefangen, sie zu verstecken. Inzwischen weiß ich, dass das mit mangelndem Selbstbewusstsein zu tun hat und versuche, ein bisschen von diesem Stil wegzukommen“, erklärt er.

Tatsächlich hat sich die Stimme von Ellison Renee Glenn, wie er bürgerlich heißt, in den letzten Jahren deutlich verändert. Sie ist eine Etage tiefer gerutscht, denn Glenn hat eine Geschlechtsangleichung hinter sich. Black Cracker ist – so seine bevorzugte Formulierung – ein „Mann mit Trans-Erfahrung“. Und um diese Erfahrung geht es auch auf seinem Album „PosTer Boy“, das eine Fortschreibung seines Mixtapes „PreTty Boy“ von 2010 ist. Das große „T“ steht für Testosteron, die Silben „pre“ und „post“ deuten auf das „Vor“ und „Nach“ der Behandlung hin.

In New York wird der Teil der Spoken Word-Szene

Abgesehen vom Titel sind die textlichen Bezüge auf die Trans-Thematik eher implizit. Es geht auf dem Album größtenteils um Liebe und Sex – ganz klar aus heterosexueller, männlicher Perspektive. „Come here baby let me hold yuh/Let me take the weight off your shoulders/I know you looking for a solider/But here I am with a poem in my hand“, singt Black Cracker etwa in der ruhigen R’n’B-Nummer „Hold Yuh“. Derart romantisch ging es bei ihm bisher nicht zu. Diese Seite wurde erst durch den Rollenwechsel freigesetzt. „In der Minute, in der ich verstand, dass ich ein Mann bin, hatte ich plötzlich Zugang zu vielen Aspekten meiner Persönlichkeit, die ich vorher unterdrückt habe. Es war wie bei einem Lichtschalter“, erklärt Black Cracker, für den es lange völlig außerhalb der Vorstellungskraft lag, dass er überhaupt die Möglichkeit einer Geschlechtsanpassung haben könnte.

Er ist in einer sehr religiösen Familie aufgewachsen, darf als Kind nur Gospel hören und musst als Strafarbeit Bibel-Verse abschreiben. Nach einigen Jahren bei seinen Großeltern in Alabama, nimmt ihn seine Mutter Anfang der Achtziger mit nach Landstuhl bei Kaiserslautern, wo sie für die U.S.-Army als Physiotherapeutin arbeitet. Black Cracker besucht eine vom Militär betriebene Schule. Sechs Jahre später geht es zurück in die Staaten: New Jersey, wieder eine Militärbasis. Später besucht er eine Kunstschule in Memphis, die er nach einem Studienaufenthalt in New York abbricht. „Ich wollte gern Musik machen, konnte mir aber kein Equipment leisten. Also begann ich, Texte zu schreiben“, erinnert sich Black Cracker.

Bald wird er Teil der New Yorker Spoken-Word-Szene. Bei einer Veranstaltung lernt er die spätere CocoRosie-Sängerin Bianca Casady kennen. Die beiden werden ein Paar, kaufen sich eine Musikausrüstung und beginnen herumzuexperimentieren. „Diese Freundschaft hat viel zu meiner künstlerischen Entwicklung beigetragen“, sagt Black Cracker, der oft als Beatboxer mit CocoRosie auf Tour war. Es folgt die Zusammenarbeit mit der New Yorker Rapperin Bunny Rabbit, für die er unter anderem das Album „Lovers & Crypts“ (2007) produziert.

Wegen Grand Pianoramax kommt er nach Europa

Als einflussreiche Figur auf seinem Karriereweg bezeichnet Black Cracker den New Yorker Dichter Bob Holman, in dessen Bowery Poetry Club er regelmäßig zu Gast ist. Holman bringt ihn mit dem Schweizer Pianisten Leo Tardin zusammen, als dieser einen Vokalisten für sein Projekt Grand Pianoramax sucht. Nach einer holprigen Anfangszeit arbeiten sie inzwischen regelmäßig zusammen. Black Cracker ist auf den letzten beiden Alben der Gruppe zu hören, seit „Till Ther’s Nothing Left“ (2013) gehört er fest zum Line-Up. Auf dem zwischen Jazz und Pop oszillierende Album kann man seine Stimme übrigens mal ganz ohne Effekte erleben.

Wegen Grand Pianoramax kommt der Rapper nach Europa, lebt zwischen Lausanne und Berlin. Mittlerweile ist er seit zweieinhalb Jahren hier, hat eine Freundin und fühlt sich als Teil der Stadt. Geschockt hat ihn allerdings, wie die Menschen in der Öffentlichkeit auf ihn reagieren: „Wenn ich ausgehe, kommen drei bis vier Mal am Abend Leute zu mir und fragen mich, ob sie bei mir Drogen kaufen können“, sagt er. Die Vorstellungen von schwarzen Männern seien in Europa wesentlich beschränkter als in den USA.

„Ich denke ja auch nicht, dass jeder Weiße Fußballspieler ist. Und nicht alle Schwarzen sind Dealer und nicht jeder schwarze Hip-Hopper ein Gangsta-Rapper.“ Mit Letzteren hat Black Cracker, der als Jugendlicher Fan des Wu-Tang-Clan war, in der Tat nichts gemein. Er benutzt in seinen Songs zwar den einen oder anderen Kraftausdruck, verzichtet aber auf die üblichen Beleidigungen, Gewaltfantasien und Protzereien. Sein Poesie-Hintergrund blitzt hingegen immer wieder auf.

Vor drei Jahren hat Black Cracker den Gedichtband „40 oz Elephant“ veröffentlicht. Sein großes Ziel für nächstes Jahr ist, wieder mit dem Dichten zu beginnen. Er will sehen, wo er steht in Sachen Versarbeit. Könnte spannend werden. Ein vielschichtiger Typ dieser Black Cracker.

Record Release Konzert: Prinz Charles, Prinzenstraße 85f, 20.3., 22 Uhr

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