zum Hauptinhalt
Foto: AFP

© AFP

Kultur: Der Boxer

Paul Simon zum 70. Geburtstag

Von Jörg Wunder

Eine klassische Win-Win-Situation: Der hübsche Art Garfunkel wäre ohne die Lieder seines Partners bloß ein mit schöner Stimme gesegneter, aber beliebiger Sänger gewesen. Der unscheinbare Paul Simon dagegen, in New York aufgewachsener Sohn ungarisch-jüdischer Immigranten, hätte ohne das glockenhelle Organ des Mädchenschwarms an seiner Seite als Lohnsongschreiber für eine der großen Plattenfirmen enden können.

Zusammen wird aus den Jugendfreunden für sechs Jahre das erfolgreichste Popduo der Welt: Simon & Garfunkel. Die ungleiche Talentverteilung – der „Rolling Stone“ konstatiert zur Trennung 1970, Garfunkel hätte die Stimme und die Haare geerbt, Simon aber die Songs – ermöglicht letzterem eine fulminante Solokarriere: Jedes seiner Alben aus den Siebzigern präsentiert einen vielseitigen, dem Zeitgeist nachspürenden Songwriter, der eigene Beschränkungen kreativ einsetzt: „50 Ways To Leave Your Lover“, geschrieben nach Simons erstem Scheidungsdrama, zieht seinen Witz aus dem in der dünnen Stimme mitschwingenden Selbstzweifel.

Dennoch mischt Simon in der Glamour-Welt mit: Er spielt in Woody Allens „Der Stadtneurotiker“ mit, landet als Hauptdarsteller und Drehbuchautor eine Kinopleite mit „One Trick Pony“ und führt eine turbulente Ehe mit „Star Wars“-Prinzessin Carrie Fischer. Auch diese Erfahrung nutzt er für das so intime wie erfolglose Album „Hearts and Bones“, ehe ihm 1986 sein größter Coup gelingt: Für „Graceland“ holt er sich Gastmusiker aus Weltgegenden, die nicht im Fokus des Popgeschehens stehen: Er mischt Cajun und Zydeco aus dem Mississippi-Delta mit dem Afropop aus den Townships Südafrikas. „Graceland“ verkauft sich über zehn Millionen Mal und wirkt weit über die Achtziger hinaus.

Schon lange muss Paul Simon niemandem mehr etwas beweisen. Der Rhythmus seiner Veröffentlichungen wird in den letzten 25 Jahren zwar lückenhafter, doch er schreckt vor keiner Herausforderung zurück und steckt Rückschläge wie den Flop seines Broadway-Musicals „The Capeman“ weg. Ein Kandidat für den Literaturnobelpreis wie Bob Dylan wird er wohl nicht mehr werden. Dafür ist er als Livemusiker in einer bestechenden Spätform, wie sein fantastisches Konzert in der Zitadelle Spandau im Juli bewies. Heute wird Paul Simon, der seit 1992 mit der Sängerin Edie Brickell verheiratet ist, 70 Jahre alt.Jörg Wunder

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false