
© Auktionshaus Kornfeld
Der Gotha-Krimi geht weiter: Ein Museum sucht noch immer seine Werke
Vor sechs Jahren gewann das Schlossmuseum spektakulär seinen Frans Hals, Holbein und Brueghel zurück. Jetzt bangt es um kostbare mittelalterliche Grafiken.
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Die Erinnerung an den Gotha-Krimi vor sechs Jahren ist noch einigermaßen präsent. Damals erhielt das Schlossmuseum im thüringischen Gotha seine 1979 gestohlenen, Millionen teuren Bilder von Hans Holbein, Frans Hals, Jan Brueghel und anderen zurück. Der größte Kunstraub in der Geschichte der DDR fand für die Kunstsammlung zu einem glücklichen Ende.
Und dennoch trägt Gotha weiterhin schwer an Verlusten, die es nicht im Krieg, sondern danach erlitten hat: durch unrechtmäßige Entwendung und Ausverkauf. Erst ließ die fürstliche Familie Lastwagen voller Kunstwerke nach Coburg verbringen und versilberte vieles davon. Dann erfolgten die Beschlagnahmungen durch die sowjetische Trophäenkommission, die 1958 nur teilweise zurückkehrten. Und schließlich machten sich Mitarbeiter des Hauses schuldig, indem sie Objekte in den Erfurter Kunsthandel gaben. Aus ihrer Sicht vielleicht zum Besten des Museums, um womöglich Sanierungen voranzutreiben – und dennoch ohne Befugnis.
Wann immer heute ein Stück der zwei Kataloge umfassenden Verluste von Gotha auftaucht, ob Gold- und Silberschmiedearbeiten aus der Kunstkammer, Gemälde, Grafiken oder kostbare Bücher, versucht die Friedenstein-Stiftung, die Werke zurückzuerhalten. Gerade stehen fünf Blätter zum Verkauf: ein wertvoller mittelalterlicher Kupferstich des Meisters ES, der seinen Namen vom Monogramm erhielt, und vier Holzschnitte.
Damit spielt sich der Krimi diesmal nicht im Geheimen ab, sondern vor aller Augen im Kunstbetrieb. Das Berner Auktionshaus Kornfeld bietet sie in seiner Auktion Grafik und Handschriften Alter Meister am 12. September an. Vor allem die um 1450 entstandene Verkündigung des Meisters ES bezaubert durch die feine Architekturdarstellung im Hintergrund, die zarte Zugewandtheit von Engel und Madonna.

© Auktionshaus Kornfeld
Eine „erste Meisterleistung auf dem Gebiet der Graphik des 15. Jahrhunderts“, schrieb der vor zwei Jahren verstorbene Auktionshaus-Gründer Eberhard W. Kornfeld begeistert, der das Blatt 1953 erwarb, „mein ‚most favorite print‘“. Seine Erben möchten es nun im eigenen Betrieb versteigern lassen. Der Katalog nennt für das Los Nummer 3050 einen Schätzpreis von 150.000 Schweizer Franken.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Das jetzige Angebot stellt bereits den zweiten Anlauf dar. Um den Verkauf zu verhindern, hatte die Friedenstein-Stiftung die Blätter im vergangenen Jahr auf Lostart.de eintragen lassen, sie mussten aus der Auktion genommen werden. Nachdem Kornfeld eine Streichung erwirken konnte, da es sich bei den Blättern nicht um Kriegsverluste handelt, stehen sie nun wieder zum Verkauf. Die komplizierten Hintergründe bleiben im Katalog allerdings weiterhin ausgespart. „Angesichts der komplexen historischen Situation gaben diese Nachkriegsverkäufe immer wieder Anlass zu Diskussionen, Besitz- oder Restitutionsansprüche bestehen keine“, heißt es darin knapp.
Für Gotha ist das bitter, nachdem alle Versuche gescheitert waren, die Blätter mithilfe der Ernst-von-Siemens-Stiftung für 120.000 Euro zurückzuerwerben – das ist der untere Schätzwert. Dem Museum bleibt nur noch übrig, auf seiner Website „gegen das falsche Narrativ anzugehen, es hätte zwischen 1945 und 1950 legale Entnahmen und Verkäufe aus Stiftungsbesitz geben können“. Enttäuschung klingt darin an, wenn der Direktor der Friedenstein-Stiftung, Tobias Pfeifer-Helke, auf der Website schreibt, „dass es durch verschleierte Provenienzen zu Verjährungen und Ersitzungen kommen konnte“.
Der Kunsthandel gibt bei dem Thema kein gutes Bild ab. Angeboten werden Werke, die offiziell auf der Verlustliste eines Museums stehen, den Verkauf ermöglicht lediglich die ungeklärte Rechtslage. Das Auktionshaus vertritt den Standpunkt, dass die Zuständigkeiten damals nicht klar geregelt waren, Gotha hingegen spricht von Veruntreuung. „Wenn schon war es kein Diebstahl, sondern eine Unterschlagung oder ein Betrug“, schreibt der geschäftsführende Partner des Auktionshauses Bernhard Bischoff an den Tagesspiegel. „Und wäre dies der Fall, sind die Tatbestände seit Jahrzehnten verjährt.“ Befriedigend kann das für ihn nicht sein.
Sehnsüchtig blickt man da aus Gotha nach Berlin, wo das Kupferstichkabinett gerade erst eine Wilhelm-Busch-Zeichnung über ein anderes Schweizer Auktionshaus, das Zürcher Auktionshaus Koller, zurückerhielt. Die ehemalige Besitzerin schenkte es dem Berliner Museum, dem das Blatt durch Kriegswirren abhandengekommen war. Der Fall liegt hier rechtlich sehr viel klarer. Kornfeld dagegen mag die Blätter aus Gotha versteigern, aber der künftige Käufer erwirbt die fragwürdige Geschichte mit – sollte diese nicht auch hier doch noch zu einem guten Ende kommen.
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