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Macht gern auch mal Entertainment. Der Pianist und Komponist Hauschka, 1966 als Volker Bertelmann in Kreuztal geboren, wurde bekannt durch seine Stücke mit präparierten Klavieren. Hauschkas Solodebüt „Substantial“ erschien 2004. Am heutigen Freitag kommt sein achtes Studioalbum „What If“ heraus (City Slang).

©  Mareike Föcking/City Slang

Der Pianist Hauschka im Interview: „Vielleicht ist der Mars bewohnbar“

Der Düsseldorfer Pianist Volker Bertelmann alias Hauschka war mit dem „Lion“-Soundtrack für den Oscar nominiert. Jetzt erscheint sein Album „What If“. Ein Gespräch über Utopien, Wohlfühl-Playlisten und präparierte Klaviere.

Herr Bertelmann, die Songs Ihres neuen Albums tragen Titel wie „Constant Growth Fails“ oder „I Need Exile“. Die Lieder sind aber wie immer instrumental. Geht Gesellschaftskritik auch ohne Worte?

Es geht nicht um Worte, sondern um Assoziationen. Ich will zum Denken anregen, ohne jemandem meine Gedanken aufzudrängen. Die Songtitel drehen sich um Probleme, die mir nahegehen und auf die wir trotz jahrzehntelanger Debatten nie eine Antwort gefunden haben. Ich bin Vater und frage mich oft, in welcher Welt meine Kinder später leben werden. Wird es genügend Wasser geben? Werden meine Kinder irgendwann auf dem Mars leben müssen?

Keine leichten Fragen.

Nein, aber genau deshalb sollte man darüber nachdenken. Man muss aber nicht polemisch werden oder sich in Debatten verlieren. Ich bin ein nachdenklicher Optimist. Das Album ist ja die Geschichte einer Utopie.

Aber es geht um Wassermangel und Exil auf dem Mars. Das klingt eher dystopisch als utopisch.

Ich glaube, das liegt oft näher beieinander, als man denkt. Oft hängt es ja auch davon ab, wie man die Dinge beurteilt. Das kennen wir doch alle von unseren Eltern: Jede Neuheit ist erst mal schlecht, bis man sich daran gewöhnt hat. Die Probleme werden nicht weniger und deshalb müssen wir auch weiterhin an Lösungsansätzen arbeiten. Weil diese Welt an ihren Problemen erstickt, freuen wir uns, dass der Mars vielleicht bewohnbar ist. Die Utopie ist der Weg aus der Dystopie.

Ihr voriges Projekt war die Musik zum Film „Lion“, für die Sie für den Oscar nominiert wurden. Das neue Album, sagen Sie, soll eine Abgrenzung davon sein. Wieso distanzieren Sie sich von Ihrem Erfolg?

Ich kann und will mich nicht vom Erfolg abgrenzen, aber das war eine Auftragsarbeit, bei der ich nicht komplett freie Hand hatte. Ich war Teil eines Prozesses und der Regisseur des Films ist letztendlich tonangebend. Ich finde die Rolle des Gehilfen aber auch schön, weil man viel über die eigenen Prozesse lernt, wenn man für jemand anderes arbeitet. Bei meinen Platten gibt es einen komplett anderen Ansatz, da hab ich die totale Kontrolle. Das hört man auch.

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Inwiefern?

„Lion“ ist ein sehr emotionaler und gefühlvoller Film, der ein breites Publikum anspricht. Die Musik dazu muss also auch den Justin-Bieber-Fans gefallen. Wenn ich aber als eigenständiger Künstler bei meinen Alben oder Konzerten anfangen würde, solche süßlichen Balladen zu spielen, würde ich mich selber verraten. Da krieg ich die Krätze.

Aber wie können Sie diese Hemmschwelle dann beim Film überwinden?

Weil es ein ganz anderer Rahmen ist, in dem ich mich da bewege. Ich mag es, Filmmusik zu komponieren, und manche Filme lassen keine Alternative zu gefühlvollem Schmuseklavier zu. Da darf man dann auch nicht davor zurückscheuen. Es gibt aber auch einen sehr pragmatischen Grund: Ich bin ständig auf Tour. Wenn ich an einem Film arbeite, kann ich das von zu Hause aus tun und Zeit mit meiner Familie verbringen. Früher schrieben die Komponisten ja auch im Auftrag der Könige, heute machen sie es eben fürs Kino.

Haben Sie keine Angst davor, in eine Klischee-Ecke gedrängt zu werden und später mit Hans Zimmer in einer Reihe zu stehen?

Stand ich schon! Es gibt einen Teil in mir, der ist durch und durch Pop und den mag ich sehr gerne. Ein Film erlaubt mir, zur Abwechslung mal Klischees zu bedienen. Außerdem finde ich die Filme, an denen ich arbeite, ja auch toll und freue mich, dass meine Musik den Film noch besser macht. Meine üblichen Knarzgeräusche wären da fehl am Platz. Ich mach gerne auch mal Entertainment.

Besteht nicht die Gefahr, danach als Entertainment-Künstler wahrgenommen zu werden und ein anderes Publikum bedienen zu müssen?

Absolut, es geht aber bei meinen Konzerten eh nicht um irgendwelche Gefälligkeiten. Meine Shows bestehen aus neuen, teils improvisierten Stücken, und das Publikum muss da mitmachen. Es mag sein, dass sich jetzt ein paar Leute wegen „Lion“ ins Konzert verirren. Dann lernen sie halt etwas Neues kennen und bleiben hoffentlich.

Andere zeitgenössische Komponisten oder Pianisten wie Max Richter, Nils Frahm oder Jóhann Jóhannsson wurden auch dank ihrer Filmmusik einem breiten Publikum bekannt. Findet die sogenannte Neoklassik im Kino ihr Zuhause?

Die Musik dieser Künstler ist sehr Film-affin und hat deshalb einen leichten Zugang zu Regisseuren. Sie hilft bei der Vermittlung von Emotionen, deshalb wird sie auch in der Werbung eingesetzt. Das Genre der Neoklassik ist aber so aufgeweicht, damit will ich mich nicht identifizieren, weil es mich einschränkt. Auf einmal sitzen da nur noch Leute im Konzert, die deine Sachen von irgendeiner „Wie schlaf ich am besten?“-Playlist kennen. Ich will nicht auf den Wohlfühl-Playlisten landen.

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So wie die eben genannten Künstler?

Nils Frahm hat ja mittlerweile den Status eines David Garrett. Der füllt die Hallen und muss eine Show abziehen. Das ist nichts für mich, ist mir zu groß und egozentrisch. Ich mag jeden Einzelnen der eben genannten Musiker, aber das sind ganz verschiedene Künstler. Deshalb gefällt mir dieser Sammelbegriff Neoklassik nicht. Der hat ja eigentlich auch nichts mit Klassik zu tun. Die Künstler sitzen hinter einem klassischen Instrument, das war’s aber auch schon.

Dabei spielen Sie nicht einmal ein klassisches, sondern meist ein präpariertes Klavier, das Sie mithilfe von Radiergummis oder Tennisbällen verändern.

Ja, wobei ich mich auch nicht darüber definieren will. Ich bin nicht so experimentell, wie man glaubt. Das präparierte Klavier ist zu meinem Stigma geworden, das wird mittlerweile von mir erwartet. Es hilft mir, spontan und kreativ zu sein, kann aber auch beengen.

Für John Cage, der das präparierte Klavier miterfand, spielte der Zufall beim Musizieren eine wichtige Rolle. Für Sie auch?

Ja, Zufall und Unfall lassen Neues entstehen. Ich kann nicht im Autopilot-Modus arbeiten, sondern muss den Umweg nehmen.

Eine „Erkundung des Absichtslosen“, wie John Cage es nannte.

Genau: Augen zu und los.

"What If" erscheint bei City Slang. Konzert: 4. April., 20.30 Uhr, Funkhaus Nalepastraße

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