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Balbina bei der Verleihung der Echo-Musikpreise am 26.03.2017 in Berlin.

© picture alliance / Jörg Carstens

Berliner Ausnahmekünstlerin Balbina: „Der Toast am morgen ist schon so schwarz wie der Tag“

Die Berliner Sängerin Balbina polarisiert gerne mit exaltierten Pop-Gesten. Im Heimathafen Neukölln überzeugt sie hingegen durch Sachlichkeit.

Für ihren extravaganten Look ist die Berlinerin Balbina, die eigentlich Balbina Monika Jagielska heißt, genauso bekannt wie für ihren opulenten Sound. Auf dem Cover ihres aktuellen Albums „Fragen über Fragen“ wirkt ihr Blick unterkühlt und maskenhaft, wie ein Wesen aus einer anderen Welt. In ihren Videoclips trägt sie bevorzugt geometrisch-avantgardistische Outfits, die auch der Exzentrikerin Björk gut stehen würden.

Somit ist es etwas überraschend, dass Balbina bei ihrem Konzert im Heimathafen Neukölln in einer schlichten, blau-weiß gestreiften Kombination aus Hemd und Kleid die Bühne betritt. Rein optisch scheint sie damit andeuten zu wollen, dass heute alles ein wenig anders sein wird als bei ihrem letzten gefeierten Auftritt im Januar, als sie sich vom Filmorchester Babelsberg begleiten ließ, um den streichersatten Bombastsound ihres Albums angemessen auf die Bühne zu bringen. In Neukölln präsentiert sich Balbina nicht in ihrer Orchester-, sondern in ihrer abgespeckten Bandversion mit Schlagzeuger und Bassist, für die Streicherklänge sorgt ihr Mann am Synthesizer.

Traumwandlerisch marionettenhaft

Aber auch in der reduzierten Variante gelingt es Balbina im ausverkauften Saal auf Anhieb, für diese poetischen Irritationen zu sorgen, für die sie derzeit entweder innig geliebt oder leidenschaftlich abgelehnt wird. Ihre Stimme ist groß, keine Frage. Egal ob traurige Ballade oder Abgeh-Nummer, traumwandlerisch singt sich Balbina durch ihre Stücke. Dazwischen aber verfällt sie immer wieder in ihre seltsam ruckartigen Bewegungen, dieses Marionettenhafte. Als wolle sie sagen: Ich werde von einer höheren Macht gelenkt. Auch an Kraftwerks Mensch-Maschine-Konzept muss man denken, wenn sich Balbina über die Bühne bewegt, als sei sie kein Wesen aus Fleisch und Blut.

Ihre Texte sind dennoch immer persönlich und auch etwas gefühlig. „Der Toast am morgen ist schon so schwarz wie der Tag“, singt sie und ganz egal, ob man das nun für gute oder schlechte Lyrik hält, diese Textzeilen bleiben hängen. Oder wie sie aus einem schlichten „Guten Tag“ einen Ohrwurm macht – all das zeugt von einem Gespür für Melodien.

Gerade hat Jan Böhmermann mit seinem Spott-Video über Tim Bendzko eine kleine Debatte über deutschsprachige Popmusik losgetreten. Angeblich falle ihr nichts anderes mehr ein, als über die eigene Betroffenheit zu singen. So manche Kritiker zählen Balbinas Pop der großen Gesten und Emotionen zu diesen Erzeugnissen der neuen Schmalzbarden.

Wie unrecht sie haben! Balbina ist eine selbstbewusste Frau, die unbeirrt ihren Weg geht, ihre eigenen Songs schreibt und ihr Image in einer Weise selbst bestimmt, die Bewunderung verdient. Man muss die 33-jährige Sängerin nicht mögen. Aber im deutschsprachigen Pop bleibt Balbina eine Ausnahme.

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