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Kultur: Des Kaisers neue Rezepte

Sternekoch Ferran Adrià und die Doku „El Bulli“

Das Restaurant ist geschlossen, doch der Mythos wächst weiter, und nun gibt es auch den Film zum Mythos: Für „El Bulli – Cooking in Progress“ hat der Dokumentarist Gereon Wetzel den weltberühmten katalanischen Drei-Sterne-Koch Ferran Adrià und seine Leute ein Jahr lang beobachtet. Es sollte ein Film über Kreativität werden, über den Prozess des Erfindens im avantgardistischen Kochlabor – und lässt doch seltsam kalt. Wetzel beschränkt sich darauf, die Kamera aus der Fanperspektive auf seine Protagonisten zu halten und ausschließlich Originaltöne zu verwenden, eine Methode, die viele Fragen offen lässt und die kritische Einordnung des Gesehenen unmöglich macht.

Es handelt sich zweifellos um interessantes Material. Es ist mehrere Jahre alt, zeigt deshalb nicht den letzten Stand von Adriàs Arbeit vor dem Abgesang im August 2011, steht aber exemplarisch für die Evolution der „Molekularküche“. Der Film beginnt mit der turnusmäßigen Schließung des Restaurants im Herbst und begleitet Adriàs Mitarbeiter ins Labor in Barcelona, wo man sie beim Experimentieren mit Süßkartoffeln beobachtet. Der Chef tritt kaum als Erfinder in Aktion, eher als eine Art Tester, der die Arbeit der Köche prüft und bewertet.

Nichts kommt ohne Adriàs Zustimmung zum Gast, das wird deutlich. Aber sein Anteil an der Entwicklung bleibt ebenso unklar wie die Herkunft des Wissens über die neuen Methoden – eine Bestätigung für Skeptiker, die sich einen Autodidakten nur schwer als wissenschaftlich fundierten Avantgardekoch vorstellen können. Es hätte sich für einen Dokumentaristen zweifellos gelohnt, der Frage nachzugehen, inwieweit hier einfach alte Prozeduren der industriellen Lebensmittelchemie effektsicher für die Gourmetküche aufbereitet wurden.

Auch an den technischen Details der Gerichte ist Wetzel erkennbar wenig interessiert, er begnügt sich damit, die Interaktion der Köche und die daraus folgenden oberflächlichen Veränderungen zu protokollieren. Was dennoch durchdringt, erschließt sich allenfalls im spanischen Originalton, nicht aber in den knapp gehaltenen deutschen Untertiteln. Des Kaisers neue Rezepte, affirmativ dokumentiert.Bernd Matthies

Astor, Filmkunst 66, Hackesche Höfe, Yorck, Capitol (OmU)

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