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Die Autorin Dorothee Elmiger im Kaisersaal des Römers kurz vor der Verleihung des Deutschen Buchpreises an sie.

© dpa/Arne Dedert

Deutscher Buchpreis für Dorothee Elmiger: Das Unglück muss zurückgeschlagen werden

Nicht die glücklichste Entscheidung, Produktenttäuschung möglich: Die Schweizer Schriftstellerin Dorothee Elmiger gewinnt für ihren Roman „Die Holländerinnen“ den Deutschen Buchpreis.

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Das ist ein großer Moment für die ehemals Hamburger Band Tocotronic an diesem Montagabend im Kaisersaal des Frankfurter Römers. Die Schweizer Schriftstellerin Dorothee Elmiger, die gerade erfahren hat, dass sie den Deutschen Buchpreis für ihren Roman „Die Holländerinnen“ verliehen bekommt, schließt ihre kurze, angenehm unspektakuläre Dankesrede mit einem Tocotronic-Zitat, dem Titel eines Uralt-Songs der Band aus dem Jahr 1999: „Das Unglück muss zurückgeschlagen werden.“

Das eigene zerklüftete Innere

Näher erläutern will Elmiger das dann nicht mehr. Aber es passt zu ihrem Roman. Eine Schriftstellerin berichtet darin während einer Poetik-Dozentur, wie sie sich ein paar Jahre zuvor mit einem Theatermacher und seinen Leuten auf eine Expedition in den mutmaßlich mittel- oder südamerikanischen Regenwald begeben hatte, auf der Suche nach eben jenen titelgebenden verschollenen Holländerinnen, deren Weg der Theatermacher choreografieren will.

Es ist eine furchtbare Expedition. Sie hatte das Gefühl, „hoffnungslos umzingelt und gleichzeitig verlassen zu sein“, wie es einmal heißt, ihrem „eigenen zerklüfteten Innern“ angesichtig zu werden.

„Ein faszinierender Trip ins Herz der Finsternis“, so urteilt die Jury. Doch leider ist dieser nicht so wirklich faszinierende Trip vor allem eine schöne literarische Spielerei, eine Fingerübung. Elmiger demonstriert, was sie alles kann und kennt. Das Werk von Werner Herzog, das von Joseph Conrad, das von Annie Ernaux, das hier fiktionalisiert einigen Platz einnimmt, das von Thomas Bernhard, dessen Sprachsound Elmiger sich mit ihrer vielen indirekten Rede, „angezogen/abgestoßen“, einverleibt hat.

„Die Holländerinnen“ ist ein einziges Referenzgewitter, das Herz der Finsternis eine einzige Behauptung, wie viele der dräuenden, aber großartigen Songzeilen von Tocotronics Dirk von Lowtzow, mit Geschichten der Expeditionsteilnehmer, die das klapperige Erzählgerüst einigermaßen stopfen sollen.

Kann man machen, warum nicht? Aber bester Roman des Jahres? Könnte wieder einmal eine Produktenttäuschung werden. Das größere Sprachkunstwerk auf dieser Shortlist ist Christine Wunnickes Roman „Wachs“ gewesen; und die größte erzählerische Leistung Thomas Melles Krankheits- und Todeserkundung „Haus zur Sonne“, weil hier Autobiografisches und reine Fiktion bestens aufeinander abgestimmt sind. Was also bleibt? Wieder ein Tocotronic-Songtitel: „Es ist egal, aber.“

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