
© dpa/Netflix/Sasha Ostrov
Deutscher Netflix-Film „Brick“: Die Mauer muss weg
In einem Survival-Thriller wird eine ganze Hausgemeinschaft von einer undurchdringlichen Mauer eingeschlossen. Mit dabei: das Real-Life-Pärchen Schweighöfer und Ruby O. Fee.
Stand:
We Gotta Get Out Of This Place, wir müssen hier raus, auch wenn es das Letzte ist, was wir jemals tun.
Der alte Song der Animals aus den 1960er-Jahren ist so etwas wie das Leitmotiv des Netflix-Films „Brick“. Denn dieser Mauerstein und die daraus gebaute Mauer halten nicht nur Tim (Matthias Schweighöfer) und seine Lebensgefährtin Olivia (Ruby O. Fee) in ihrer Wohnung gefangen, sondern auch alle anderen Bewohner des Hauses im Hamburger Schanzenviertel.
Kleine Randnotiz: Schweighöfer und O. Fee sind auch im wahren Leben ein Paar. In „Brick“ steht die Beziehung unter keinem guten Stern. Irgendetwas mit einem nicht erfüllten Kinderwunsch belastet die Partnerschaft massiv. Doch gerade als Olivia die gemeinsame Wohnung und Tim auf Nimmerwiedersehen verlassen will, durchkreuzt eine über Nacht entstandene Mauer ihre Pläne.
Die neue Wand, die nicht nur die Wohnungstür hermetisch ausfüllt, sondern auch alle Fenster, besteht nicht aus einzelnen Mauersteinen. Es handelt sich um ein völlig unbekanntes Hochtechnologiematerial, wie Olivia als Architektin erkennt. Kein Bohrer kann es durchdringen, kein Vorschlaghammer auch nur eine Delle hineinschlagen. Rettung von außen wird es nicht geben. Es funktionieren weder Telefon noch Internet, schlimmer noch: Auch die Wasserhähne sind versiegt.
Das Setting von „Brick“ erinnert entfernt an Gedankenspiele wie in Stephen Kings Roman „Die Arena“, der vor rund zehn Jahren die Vorlage für eine TV-Serie lieferte. Allerdings umschloss in „Under The Dome“ eine unsichtbare Mauer eine ganze Kleinstadt. Bereits nach wenigen Tagen veränderte sich das Leben unter den neuen Bedingungen vollständig, vor allem, weil einige der Bewohner nun ihre Macht- und Gewaltfantasien mit üblen Folgen ungehemmt auslebten.
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Auch Tim und Olivia teilen ihr Schicksal mit anderen Menschen. Wie sich herausstellt, ist zwar die Verbindung zur Außenwelt unterbrochen. Doch die Mauern zu den anderen Wohnungen lassen sich durchbrechen. Zuerst treffen die beiden auf ein Pärchen, das die Nachbarwohnung gerade über Airbnb für ein Partywochenende in Hamburg gemietet hat.
Marvin, gespielt von Frederick Lau, und seine Freundin Ana (Salber Lee Williams) sind bis obenhin voll mit Drogen und komplett von der Rolle. Während Tim als Entwickler von Computerspielen immerhin noch mit den Mitteln der Logik wie bei einem Escape-Room einen Ausweg sucht und auch Olivia eher rational mit der bedrohlichen Lage umgeht, mangelt es Marvin an einer funktionierenden Impulskontrolle. Die vorhersehbaren Konflikte in einer solchen Ausnahmesituation lassen nicht lange auf sich warten.
Gefangen zu sein in einem hermetischen System ist eine tiefsitzende menschliche Urangst und gleichsam ein existenzieller Gedanke, den ich mit ,Brick‘ auf eine neue Art bespielen will.
Philip Koch, Regisseur von „Brick“
Regisseur Philip Koch spielt dabei bewusst mit menschlichen Urängsten wie denen, lebendig begraben zu sein oder auf dem offenen Meer zurückgelassen zu werden. „Gefangen zu sein in einem hermetischen System ist eine tiefsitzende menschliche Urangst und gleichsam ein existenzieller Gedanke, den ich mit ,Brick‘ auf eine neue Art bespielen will“, lautet seine Absicht. Die Mauer stellt für Koch dabei gleichsam eine Metapher für das Leben in der städtischen Isolation dar, für das Alleinsein und die Einsamkeit trotz des Überangebots an Kommunikations- und Unterhaltungsmöglichkeiten.
In einem gewissen Maße steckt zudem eine Technologiekritik in „Brick“, die sich jedoch erst am Ende erschließt. Dabei steht die Mauer für einen an sich sinnvollen Gedanken, der sich jedoch in sein Gegenteil verkehrt. Ein Schutz, dem die Menschen schutzlos ausgeliefert sind.
Matthias Schweighöfers Figur befindet sich noch in einem ganz anderen, inneren Gefängnis. Schon Jahre vorher hatte sich Tim emotional immer mehr von der Außenwelt isoliert und nicht einmal seine Partnerin an sich herangelassen. Die Suche nach einem Ausweg aus der neuen Isolation bietet für ihn zugleich die Chance zu einer ganz anderen Katharsis.
Damit bietet der Stoff großes Potenzial für zwei unterhaltsame und zugleich nachdenkenswerte Stunden. Zumal die Begegnungen mit den anderen Hausbewohnern die Eskalationsspirale weiter beschleunigen. Schade nur, dass manche Charaktere wie insbesondere der Verschwörungstheoretiker Yuri (Murathan Muslu) – obwohl gut gespielt – den Rahmen zu sprengen drohen.
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