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Allein unter Männern. Felicity Jones als Ruth Bader Ginsburg.

© Entertainment One

"Die Berufung" über Ruth Bader Ginsburg: Die Anfänge einer Superheldin des Rechts

Erst eine Doku, nun das Biopic: „Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ feiert die US-Richterin Ruth Bader Ginsburg.

Eine 85-jährige, zierliche Frau in schwarzer Robe mit Spitzenkragen und Brille ist zur unwahrscheinlichen Superheldin Amerikas geworden. Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Obersten Gerichtshof der USA, wird von Liberalen für ihre pointierten Meinungen am mehrheitlich konservativ besetzten Gericht gefeiert. Ihr Gesicht ziert T-Shirts und Kaffeetassen, ihre Auftritte füllen Riesensäle. In schwierigen politischen Zeiten ist „The Notorious RBG“ eine Hoffnungsfigur, deren eiserner Wille beeindruckt: Trotz zwei Krebserkrankungen verpasste sie nie einen Tag auf der Richterbank.

Vergangenes Jahr brachte der Dokumentarfilm „RBG“ Ginsburg einem internationalen Publikum näher. Der Oscar-nominierte Film erzählt die Geschichte der Richterin von ihren bescheidenen Anfängen als Kind jüdischer Immigranten in Brooklyn über ihre Zeit als Anwältin, in der Ginsburg zahlreiche Fälle von geschlechtsbasierter Diskriminierung vor den Obersten Gerichtshof brachte (und fast alle gewann) bis hin zur Nominierung ans Hohe Gericht durch Bill Clinton und ihrem späten Ruhm als Kultfigur der Liberalen.

Niemand will Ruth Bader Ginsburg einstellen

Die Origin Story der Superheldin Ruth Bader Ginsburg erzählt jetzt ein Biopic. „Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ von Mimi Leder beleuchtet den Beginn von Ginsburgs Karriere als Anwältin, angefangen mit der Zeit an der Harvard Law School. Zu den Klängen von „Ten Thousand Men of Harvard“ erklimmen in der ersten Szene Hunderte junge Männer die Stufen der Universität. In dem Meer von dunklen Anzügen sticht eine Frau im blauen Kleid heraus, mit überzeugend naivem Enthusiasmus gespielt von Felicity Jones („Die Entdeckung der Unendlichkeit“). Ginsburg war 1956 eine von neun Frauen unter mehr als 500 Kommilitonen. Der Film zeigt die Diskriminierung, der die Studentinnen ausgesetzt waren. Etwa das berühmte Dinner, zu dem der Dean von Harvard die Frauen einlud, um diese zu fragen, warum sie einen Platz an der Law School einnehmen, den auch ein Mann belegen könnte.

Nach dem Abschluss als Jahrgangsbeste findet Ginsburg in New York keine Kanzlei, die sie anstellen will. „Eine Frau, eine Mutter und dazu noch Jüdin“, sagt ihr einer der Männer beim Vorstellungsgespräch. Für die damalige Zeit undenkbar, dass so jemand als Anwältin arbeiten kann. So wird Ginsburg Juraprofessorin, während ihr Mann Martin Karriere als Steueranwalt macht. Er präsentiert ihr schließlich den Fall, der im Zentrum des Films steht.

Dort geht es um Charles E. Moritz, der bei seiner Steuererklärung Geld für die Pflegekraft abgerechnet hatte, die sich in seiner Abwesenheit um seine kranke Mutter kümmerte. Das Gesetz aber sah vor, dass nur Frauen oder Witwern diese Steuervorteile zustehen. Moritz war nie verheiratet und verlor seine ursprüngliche Klage. Gemeinsam mit ihrem Mann und mit der Unterstützung der American Civil Liberties Union (ACLU) vertrat Ruth Bader Ginsburg Moritz 1972 vor dem Berufungsgericht – und gewann. Dieser Sieg war der Anfang einer großen Karriere, in der sie das „Women’s Rights Project“ der ACLU gründete und Fall für Fall gegen geschlechtsbasierte Diskriminierung in US-Gesetzen vorging.

Der Film kann der großen RBG nicht gerecht werden

All das erfährt man im Film erst im Abspann. Die Geschichte konzentriert sich ganz auf den ersten Fall, der als Testlauf für Ginsburgs Plädoyers vor dem Obersten Gerichtshof gesehen werden kann. Dass es sich um einen Mann handelt, der diskriminiert wird, war Ginsburgs Argumentation dienlich, um zu zeigen, dass Geschlechterdiskriminierung jedem schadet – und um eine Identifikationsfigur für die männlichen Richter zu haben. Am spannendsten ist der Film, wenn er Ginsburg dabei zeigt, wie sie allen Widrigkeiten zum Trotz ihre juristische Strategie entwickelt und schließlich die Richter überzeugt.

Doch „Die Berufung“ kann der großen RBG nicht gerecht werden. Regisseurin Mimi Leder, die in den Neunzigern mit Filmen wie „Deep Impact“ Erfolge feierte und zuletzt Regie bei der TV-Serie „The Leftovers“ führte, erzählt die Geschichte allzu konventionell. Dazu kommen die didaktische Filmmusik, die mit mal triumphalen, mal sinistren Klängen die Emotionen vorgibt, sowie die eindimensionalen Charaktere neben RBG. Ihre Antagonisten, stets in Rauchschwaden eingehüllt, wirken wie Bösewichte aus einem Comicfilm. Dabei war die Vorstellung, dass Frauen und Männer nicht gleichwertig sind und auch nicht gleichberechtigt sein sollten, damals noch völlig normal. Ruths Ehemann Martin (Armie Hammer) hingegen wird wie ein Heiliger dargestellt.

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Ruth Bader Ginsburg hat in Interviews selbst oft betonte, wie essenziell die Unterstützung des Ehemanns für ihre Karriere war. Martin war von ihren Erfolgen nicht eingeschüchtert, bereitete das Essen zu und kümmerte sich um die Kinder. Dass das alles ganz so reibungslos ablief wie im Film dargestellt, ist angesichts der Schwierigkeiten, die Frauen noch heute mit der Vereinbarkeit von Karriere und Familie haben, nur schwer zu glauben. Das Drehbuch zum Film hat Bader Ginsburgs Neffe Daniel Stiepleman geschrieben. Die Richterin soll die ersten Versionen des Skripts mit ihm durchgegangen sein. Hier mag ein Grund für die rosige Darstellung liegen.

Am Ende retten die starken Schauspielleistungen und die Strahlkraft der Figur Ruth Bader Ginsburg „Die Berufung“ vor der Mittelmäßigkeit. Und der Gastauftritt von RBG selbst zum Finale sorgt trotz Kitschfaktor für Euphorie.

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