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Gegen einen BBC-Moderator, der einem Teenager Geld für sexuell eindeutige Fotos gezahlt haben soll, gibt es neue Vorwürfe.

© dpa/Stefan Rousseau

Die BBC kämpft weiter mit Skandalen: Moderator soll 35.000 Pfund für Pornofotos gezahlt haben

Eigentlich wollte BBC-Chef Davie seinen Jahresbericht präsentieren, aber der neue Skandal deckt alles zu

Von Tessa Szyszkowitz

Stand:

Tim Davie hatte keine Chance. Als der BBC-Chef am Dienstag in London den Jahresbericht 2022/23 präsentierte, wollte einfach niemand wissen, was in seinem Annual Report stand. Wie die BBC sich müht, die Bevölkerung ausgewogen und breit zu informieren?

Dass nur noch 76 Prozent der jungen Seherinnen und Seher die BBC nutzen? Derzeit nicht so wichtig. Das einzige, was die virtuell zugeschalteten Reporter interessierte: Wer ist der Starmoderator, der von der „Sun“ beschuldigt wird, einem Minderjährigen für pornografische Fotos 35.000 Pfund (rund 41.000 Euro) bezahlt zu haben? Und wie geht die BBC mit diesem Skandal um?

Suspendiert

Genau das aber wollte Tim Davie natürlich nicht sagen. „Nein, ich habe nicht mit ihm persönlich gesprochen“, sagte er im BBC-Interview nach der Präsentation. Der Mann sei suspendiert. Die Polizei hat die BBC gebeten, die interne Untersuchung einzufrieren, sie selbst will jetzt Klarheit schaffen. Seit Tagen findet ein bizarrer Tanz um die Wahrheit statt: Die Identität des BBC-Stars ist dem ganzen Haus und allen Insidern bekannt.

Aber keiner nennt den Starjournalisten beim Namen. Das liegt nicht nur am Datenschutzgesetz, das verbessert wurde, seit die BBC dem Sänger Cliff Richards im Jahr 2019 zwei Millionen Pfund in Gerichtskosten ersetzen musste, weil sie seine Privatsphäre verletzt hatte. Damals war es um den Verdacht auf sexuellen Missbrauch gegangen – der sich als haltlos herausstellte.

Die von der „Sun“ vorgebrachten Anschuldigungen sind unter Umständen juristisch nicht eindeutig – sonst hätte das sonst nicht so zimperliche Boulevard-Blatt seinen Namen wohl längst genannt. In einem Podcast des ehemaligen BBC-Stars Emily Maitlis, „The News Agents“, wurde inzwischen relativ offen darüber spekuliert, ob es sich bei den 35.000 Pfund, die der Moderator angeblich an den jungen Mann überwiesen hatte, um Schweigegeld gehandelt haben könnte.

Die Darstellung der Mutter, die den Fall ihres Kindes erst zur BBC getragen hat, stimmt unter Umständen so nicht. Zumindest behauptet das ihr Sohn, der per Whatsapp die Sun gebeten habe, den falsch berichteten „Mist“ zurückzuziehen. Zur Polizei gingen die Eltern nicht. Sondern, nachdem die BBC wochenlang in der Causa nichts unternommen hatte, zur „Sun“.

Das Boulevardblatt erscheint in Rupert Murdochs Medienimperium: „Vater: BBC sind Lügner“ titelt das Blatt am Dienstag genüsslich. Die „Sun“ sichert sich vielleicht nicht die Wahrheit, aber die Wut der Britinnen und Briten, die ihrem öffentlichen Sender schon länger nicht mehr trauen. Unter Boris Johnson rechtspopulistischer Regierung sollte die bisherige Fernsehgebühr bis 2027 gekippt werden. Jeder weitere Skandal schadet der BBC. Und schon erhebt ein weiterer Mann Vorwürfe gegen Moderator und Sender.

Tim Davies Jahresbericht stieß am Dienstag nur in einem Punkt auf Interesse: Die Gehälter der Top-Verdiener führen jedes Jahr zu Schnappatmung. Unter den Top 10 sind fast nur Männer, die rund 400.000 Pfund (469.000 Euro) pro Jahr einstreichen. Männer verdienten in der BBC in diesem Jahr statt 5,9 Prozent im Vorjahr sogar im Durchschnitt 7,3 Prozent mehr als Frauen. Auch dieses Jahr führt Fußball-Kommentator Gary Lineker die Liste der Spitzengehälter mit einem weit herausragenden Verdienst von 1,35 Millionen Pfund (1,58 Millionen Euro) an. Der ehemalige Fußballer hat selbst im Frühling einen BBC-Skandal überlebt. Er hatte auf Twitter die Sprache der britischen Regierung zu Asylfragen mit jener der Deutschen in den 30er Jahren verglichen. Er wurde zwar kurzfristig suspendiert, musste aber wieder eingesetzt werden, weil sich andere Moderatoren – und viele Zuseherinnen und Zuseher – mit ihm solidarisierten.

Im jüngsten Skandal wird das kaum der Fall sein. Auch wenn es keinen juristischen Tatbestand geben sollte, wird der BBC-Star, der sich – so die Anschuldigung - pornografische Fotos schicken ließ, kaum ohne Schaden für seine Reputation aus der Sache hervorgehen. Pikant dabei: Er steht auf der Liste der BBC-Topverdiener.

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