
© dpa/Jörg Carstensen
Die Blechlawine rollt wieder: Macht das Autodesign endlich schlanker!
Mein Auto, mein Parkplatz, mein Revier im Verkehr: Die immer fetteren Karren sind eine Zumutung für alle anderen. Wie schön war da einst die Isetta, das fahrende Ei.

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Gerade habe ich vor einem Geschäft in Stockholm eine Isetta gesehen. Jenes Auto, das mit 2,29 Metern Länge, 1,37 Meter Breite – kaum mehr als ein französisches Bett – und 1,34 Meter Höhe 1953 auf der Automesse in Turin eine Sensation war. Man steigt durch die Fronttür ein, die aufgeschlagen wird, mitsamt Steuerrad. Mit einem Elektromotor war das rollende Ei in die Moderne gebracht. Und ich dachte mir: reicht doch. Weiß aber: Unsere Verkehrssenatorin ist da gar nicht dieser Meinung.
Das Berlin Schuljahr beginnt diesen Montag wieder. Schluss mit dem herrlich breiten Sommer-Blick über die Berliner Straßen, von Hausfront zu Hausfront. Stattdessen wieder hohe Blechwände im zusammen mit den Eigentümern aus dem Urlaub zurückgekehrten Kampf-Design. Selbst „Mittelklassewagen“ haben heute superlange oder superhohe Schnauzen und superbreite Stoßstangen, aggressiv geschlitzte Beleuchtungen, hoch gelegene Fenster.
Jedes Detail schreit: Weg da! Hier komme, hier stehe ich. Das ist mein (!) Raum. Dabei gehört der Straßenparkplatz der Allgemeinheit. Aber gerade in Berlin wird er gegen eine geradezu lächerliche Gebühr freundlich den Autobesitzern, sorry, geschenkt. Und jede Partei, die an dieser blanken Verschwendung von Raumressourcen herummäkelt, wird abgewählt.
Autos brauchen durchschnittlich 12,5 Quadratmeter Platz, nur um herumstehen zu können. Das tun sie in Großstädten durchschnittlich 23 Stunden am Tag. Wenn diese Immobilie dann doch mal kurz mobil wird, sitzen im Schnitt 1,4 Personen darin. Im Alltag sind es meistens weniger, die Ferieneinsätze mit Vollbeladung zählen ja mit in der Statistik. Dafür werden durchschnittlich selbst im Mittelklasse-Bereich eineinhalb Tonnen bewegt. Niemals in der Existenz der Menschheit gab es ein ineffizienteres Verkehrsmittel. Aber alles Klagen nützt nichts: Der Deutsche liebt sein Auto, die Deutsche auch.

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Aber wenn wir diese Platz- und Materialverschwendung schon akzeptieren müssen, dann wenigstens nicht kostenlos. Autos sollten – uralte Stadtplaner-Forderung! – nicht nur nach ihrer motorisierten Kampfkraft, sondern auch dem für ihren Bau verbrauchten Material und für das Herumstehen verbrauchten Luftraum besteuert werden. Und zwar saftig. Ich gehe jede Wette ein: Die Autos würden sehr schnell wieder straffer im Design und kleiner. Schließlich kamen einst auch der R4, der Golf, der Polo, der Panda mit sehr viel weniger Raum aus
Die runde Isetta in Stockholm diente übrigens nicht als Fahrzeug, sondern Werbung für den Öffentlichen Nahverkehr.
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