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Kultur: Die Brücke als Schlag

Dresden muss jetzt bauen – so hat es das Oberverwaltungsgericht beschlossen

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„Sire, es gibt noch Richter in Berlin!“, soll der Müller von Sanssouci dem König geantwortet haben, der den Abriss der klappernden Mühle forderte. Zwar ist die Geschichte reine Legende – aber hervorragend geeignet, den Glauben an die Justiz als oberste Instanz zu stärken. Solche Richter gibt es auch in Bautzen. An das dortige Oberverwaltungsgericht hatte sich das Regierungspräsidium Dresden gewandt, um den Vollzug eines Bürgerentscheids durchzusetzen, mit dem sich im Februar 2005 eine Zweidrittelmehrheit der Befragten für den Bau der Waldschlösschenbrücke ausgesprochen hatte. Diese Brücke soll elbaufwärts von der Stadtmitte die Elbauen überqueren – oder zerschneiden, wie die Kritiker des Verkehrsvorhabens zürnen.

Doch der Zorn, gestützt auf den erst 2004 erworbenen Unesco-Weltkulturerbestatus des Mittleren Elbtales, beeindruckte lediglich das Dresdner Verwaltungsgericht, das einen Aufschub des Brückenbaus anordnete und so die Gelegenheit eröffnete, die Denkmalwürdigkeit des Elbtales unter Einbeziehung der in solchen Fragen zuletzt immer strenger gewordenen Unesco erneut zu gewichten. Die Chance besteht nun nicht mehr: Der Spruch des OVG Bautzen ist letztinstanzlich und unanfechtbar. Die Stadtverwaltung Dresden muss jetzt die Aufträge zum Bau der Brücke erteilen.

Das Gericht trage dem hohen Stellenwert der Entscheidung der Dresdner Bürger Rechnung, hieß es jetzt kommentierend aus Bautzen. Die Entscheidungsbefugnis der Bürger sei von überragender Bedeutung für die Demokratie.

Dem ist nun wahrlich nicht zu widersprechen. Das Bautzener OVG hat zweifellos konsequent entschieden, indem es allein die Berücksichtigung des Bürgerentscheids einfordert, ohne die möglichen Folgen in der Urteilsfindung zu berücksichtigen. Diese Folgen liegen im Übrigen nicht nur in der Aberkennung des schmückenden Titels, auf den viele Dresdner wegen der Attraktivität ihrer Stadt ohnehin leichten Herzens verzichten würden. Schwerer tut sich der Stadtkämmerer: Die Kosten der gewaltigen Brückenkonstruktion mit ihren langen Vorbrücken über die Auen der sanft geschwungenen Elbe wurden schon 2005 mit 160 Millionen Euro beziffert – ein nach Meinung von Fachleuten exorbitanter Betrag. Als der Deutsche Bundestag, durch die Kritik der Unesco aufgeschreckt, am 2. März über die Dresdner Querelen diskutierte, war es ausgerechnet ein Abgeordneter der FDP – die in Dresden den Brückenbau forciert –, der sich zwar für die Durchsetzung des Bürgerentscheids aussprach, sich aber den Hinweis nicht verkniff, die Dresdner hätten sich „in Kenntnis der Tatsache, dass die Brücke zu teuer ist, die Verkehrsprobleme nicht löst und die Landschaft zerstört, dennoch für den Bau entschieden“.

Nachdem die Unesco bereits in Köln einschreiten musste, um den Bau von Hochhäusern in Sichtnähe des geschützten Domes zu verhindern – was die Stadtväter akzeptierten –, dürfte Dresden mit seinem herrlichen Elbtal nunmehr die Blamage der Aberkennung des Welterbetitels drohen. Ausgerechnet Dresden!

Dringend nötig ist eine Debatte über die Bindungswirkung der Unesco-Welterbekonvention. Der ist die Bundesrepublik als Gesamtstaat beigetreten, gewiss – die Bundesländer hingegen können nach herrschender Lehre auf ihrer Kulturhoheit beharren. Und wenn dann noch kommunale Bürgerentscheidungen geradezu basisdemokratisch gegen das Unesco-Anliegen votieren, ist der Konflikt da. Dass sich ausgerechnet die Kulturnation Deutschland einen solchen Rechtskonflikt leistet, statt sich rechtzeitig auf die Einhaltung und Durchsetzung einer weltumspannenden Konvention zu verständigen, die man bei jeder Gelegenheit in hehren Worten preist, ist die noch weit größere Blamage. Künftige deutsche Anträge zur Aufnahme in die Welterbe-Liste – und etliche Kommunen gieren danach – dürften es schwer haben.

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