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Metallica

© Tim Saccenti

Die härteste Pop-Band der Welt: Metallica können vor Kraft kaum laufen

Vierzig Jahre nach ihrem Debüt ist das Thrashmetal-Quartett aus San Francisco immer noch nicht museumsreif. Auch wenn es auf „72 Seasons“ hier und da schon zwickt.

Von Andreas Busche

Nach sieben Minuten und 39 Sekunden ist die Welt auf „72 Seasons“, dem elften Studioalbum von Metallica, noch in Ordnung. Lead- und Rhythmusgitarre jagen sich teasend im Kreis (auch in der härteren Rockmusik kommt dem Vorspiel eine wichtige Rolle zu), die Toms poltern energisch dazwischen, während die Hi-Hat in angespannter Antizipation wie eine angriffslustige Klapperschlange zischelt.

Bis nach einer guten Minute Kirk Hammett mit einem schneidenden Hochgeschwindigkeitsriff die Initiative ergreift – und das Stück förmlich explodiert. Den Rest brüllt James Hetfield eindrucksvoll nieder. Mit knapp acht Minuten ist der Opener und gleichzeitig das Titelstück von „72 Seasons“ ein kleiner Hoffnungsschimmer für Metallica-Fans: vierzig Jahre nach dem Debüt „Kill ’Em All“, dem Urknall des kalifornischen Thrash Metal.

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Alles in Ordnung in der Metallica-Welt

Solange die Verantwortlichkeiten zwischen Hetfield und Hammett geregelt waren, war in der Metallica-Welt schon immer alles in Ordnung. Nachhaltig in Erinnerung geblieben ist das dank dem Dokumentarfilm „Some Kind of Monster“ von 2004, in dem Bob Rock, Produzent des Katastrophenalbums „St. Anger“, dem Leadgitarristen Hammett seine geliebten Soli verbietet und sich die Band plötzlich in einer Gruppentherapie wiederfindet. (Das ist nur die allerkürzeste Version dieser unterhaltsamsten Rockumentary aller Zeiten.)

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Und während der Aufnahmen zum 2016er-Vorgänger „Hardwired… to Self-Destruct“ verlor Hammett sein iPhone, auf dem er seine Killerriffs gespeichert hatte, was seinen Beitrag schmerzhaft schmälerte. „Hardwired“ wurde dann trotzdem ziemlich gut. Sozusagen die Boomer-Variante ihrer Sturm-und-Drang-Phase, in der Metallica alles auf einmal wollten: Johann Sebastian Bach (der zu jung verstorbene Bassist Cliff Burton), frühe Iron Maiden (Drummer Lars Ulrich) und ein bisschen Horrorshow (Hammett).

Es gibt wohl kein Genre, das Musikern das Altern in Würde schwerer macht als Heavy Metal. Dazu reicht schon ein Blick auf das jährliche Line-up des Wacken Festivals, auf deren Bühnen sich vor allem die alten Helden noch einmal aufraffen. Junge Fans wachsen immer wieder nach, das verfügbare Einkommen der Fans der ersten Stunde, für teure Jubiläums- und Sonder-Editionen, ist (auch inflationsbereinigt) gestiegen.

Die übrigen der „Big Four“ aus den Achtzigern (Megadeth, Slayer, Anthrax) sind nicht gut gealtert. Hetfield und Ulrich werden in diesem Jahr sechzig, Hammett befindet sich bereits jenseits. Dennoch sind Metallica nach wie vor, trotz vieler durchwachsener Alben, die härteste, lauteste und schnellste Band im Geschäft. Nie müde werdend, den alten Spirit noch einmal wiederzubeleben.

Alle acht Jahre ein neues Album

Womit wir bei „Lux Æterna“ wären, dem kürzesten und schnellsten (allerdings nicht härtesten) Song auf „72 Seasons“, dessen Titel sich auf die vier Jahreszeiten der (vermeintlich) formativen ersten 18 Lebensjahre bezieht. Grob zusammengefasst könnte man sagen, dass alle drei Jahre ein Song von dieser Qualität und Intensität dem Legendenstatus Metallicas dienlicher wäre als drei weitere Alben vom Kaliber „72 Seasons“ im inzwischen gewohnten Acht-Jahre-Turnus.

„Lux Æterna“ ist unglaublich wendig und agil, die Erinnerung daran, dass das Quartett immer noch eine fulminante Live-Band ist. „72 Seasons“ klingt muskulös, aber manchmal scheint es, als kämen die zwölf Stücke vor Kraft kaum von der Stelle.

Wenn gar nichts mehr geht, brüllt Metallica-Frontmann James Hetfield den Song einfach nieder.
Wenn gar nichts mehr geht, brüllt Metallica-Frontmann James Hetfield den Song einfach nieder.

© dpa/Ricardo Rubio

Es ist ja ein Irrtum vieler Metal-Bands im nahenden Rentenalter, Power und Laustärke mit Elan zu verwechseln. Vielleicht liegt es aber auch nur an der zunehmend eingeschränkten Mobilität. Die meisten Songs auf „72 Seasons“ folgen den Gesetzen der Schwerkraft: Sie werden von ihrem eigenen Gewicht wieder auf den Boden eines generischen Alternative-Metal heruntergezogen, den Metallica mit ihrem selbstbetitelten „Black Album“ in den Neunzigern begründeten – und noch in derselben Dekade wieder zu Grabe trugen. Dieses schleppende Midtempo treibt vor allem Hammett die Spielfreude aus; und dem grandiosen Funkmetal-Bassisten Robert Trujillo seinen Groove. „72 Seasons“ grollt, wagt sich aber nur selten aus seiner Höhle hervor.

Es ist heute leichter, sich über Metallica lustig zu machen, als sie noch ernst zu nehmen; was auf keinen Fall gleichbedeutend ist mit mangelnder Ehrfurcht. Zum Glück können Hetfield, Ulrich & Co selbst am besten einschätzen, wie viel Mist sie seit ihrer letzten Großtat, ebenjenem schwarzen Album von 1991, verzapft haben.

Aufnahmen mit den San-Francisco-Sinfonikern, Rechtsstreit mit der Sharing-Plattform Napster, ein Konzeptalbum mit Lou Reed frei nach Frank Wedekind und, was gerne vergessen wird, ein 3D-Drama-Konzertfilm, in dem Metallica sich selber spielen.

Einige Sorgen von Fans der ersten Stunde erweisen sich zum Glück als unbegründet. Balladen zum Beispiel haben es nicht auf „72 Songs“ geschafft. Und Kirk Hammett spielt seine Gitarre wieder so wunderschön filigran ziseliert, skalpellscharf und anstrengungslos ohne jedes Strebertum wie zu Metallicas besten Zeiten.

Man höre nur sein Solo in „If Darkness Had A Son“, ein kleines Kunstwerk, gehämmert aus den Lehren des Blues und aus Schwermetall, das einen eigenen Platz in der Rock’n’Roll Hall of Fame verdient hätte. Für solche lichten Momente begibt sich die graue Eminenz Metallica alle acht Jahre ins Studio. Beim nächsten Album gehen die rüstigen Duracell-Häschen stramm auf die 70 zu.

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