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Bären-Bändiger: (v.l.) Bettina Brokemper, Luca Marinelli, Bérénice Bejo, Jurypräsident Jeremy Irons, Kenneth Lonergan, Annemarie Jacir and Kleber Mendonca Filho - die Berlinale-Wettbewerbsjury 2020.

© REUTERS/Michele Tantussi

Jeremy Irons wehrt sich gegen Vorwürfe: Die 70. Berlinale ist politisch, bevor sie angefangen hat

Es gab Kritik an Jury-Präsidenten Jeremy Irons. Zum Berlinale-Start bekennt sich der Schauspieler unmissverständlich zu Frauenrechten und Diversity.

Etwas nervös sind sie schon. Festival-Direktor Carlo Chatrian sitzt im Saal, Jeremy Irons lacht erleichtert kurz auf, als die versammelten Medienvertreter ihn mit großem Applaus begrüßen. Es hatte Kritik gegeben an Irons Ernennung zum Jurypräsidenten, wegen früherer umstrittener Äußerungen des britischen Schauspielers zur Homo-Ehe und zur Abtreibung und weil er 2009 eine Petition für Roman Polanski unterschrieb.

Vor der eigentlichen Jury-Fragerunde gibt Irons dazu nun ein Statement ab – von sich aus. Es fällt unmissverständlich und glaubwürdig aus. Auch Chatrian wirkt jetzt erleichtert.

„Lassen Sie mich das bitte ein für allemal klarstellen“, hebt Irons an. „Erstens, ich unterstütze von ganzem Herzen die globale Bewegung gegen die fehlende Gleichberechtigung der Frauen und zum Schutz vor Missbrauch, vor verletzender und respektloser Belästigung, zu Hause wie am Arbeitsplatz. Zweitens begrüße ich die gesetzliche Verankerung der gleichgeschlechtlichen Ehe.“ Er hoffe, es gebe sie bald in immer mehr Ländern. „Drittens begrüße ich von ganzem Herzen das Recht auf Abtreibung.“

Die 70. Berlinale ist politisch, bevor sie angefangen hat. Ein Jurypräsident, der sich zu „diesen drei Menschenrechten“ bekennt, der dazu auffordert, sich gemeinsam um eine zivilisiertere, menschlichere Gesellschaft zu bemühen, und der daran erinnert, dass das Fehlen dieser Rechte in vielen Teilen der Welt für etliche Menschen Gefängnis oder sogar den Tod bedeutet – ein solcher Jury-Vorsitzender setzt die Tradition eines Festivals fort, das sich schon immer entschieden für Freiheit und Diversität engagierte. Irons hofft darauf, dass auch einige der Berlinale-Filme diese Probleme ansprechen, dass sie festgefügte Weltanschauungen und Vorurteile hinterfragen.

Nun aber zu den sechs Mit-Jurorinnen und -Juroren. Nach einem prägenden Filmerlebnis befragt, nennen die Jury-Mitglieder tatsächlich lauter Werke, die sich durch Humanität und Empathie auszeichnen. Die deutsche Produzentin Bettina Brokemper erinnert sich daran, wie sie bei „Bambi“ erstmals auch Väter weinen sah, der italienische Schauspieler Luca Marinelli (der 2019 in Venedig den Darstellerpreis gewann) spricht über „E.T.“, seine Kollegin Bérénice Bejo über „Singin’ in the Rain“ und die palästinensisch-amerikanische Regisseurin Annemarie Jacir über die fünf Videokassetten, mit denen sie in Saudi-Arabien aufwuchs. Dort waren Filme verboten.

Jeremy Irons und die Jury-Mitglieder erzählen von prägenden Filmerlebnissen

Während Irons von Chaplin und „Lawrence of Arabia“ schwärmt, bricht US-Regisseur Kenneth Lonergan eine Lanze für das mit Herzblut realisierte unabhängige Kino. Und sein brasilianischer Kollege Kleber Mendonça Filhio meint, dass die neuen digitalen Technologien dabei helfen, der zunehmenden Kriminalisierung der Künste in seinem Land zu trotzen.

Herzblut, das Stichwort greift Irons gerne auf, als die Jury ihre Qualitätskriterien verraten soll. Was bewegt mich? Kriegt mich der Film? „Wenn etwas mich berührt“: Der Italiener Marinelli sagt den Satz sogar auf Deutsch. Sympathische Runde. Schade, dass man auch bei dieser Bären-Jury niemals Mäuschen spielen darf.

Welche Verantwortung ein Schauspieler hat, wird Jeremy Irons auch noch gefragt. Eigentlich keine besondere, eben die für die eigene Arbeit, meint der 71-Jährige zunächst. Dann aber doch: Wer im Rampenlicht steht, kann seinen Ruhm dazu nutzen, um die Aufmerksamkeit auf Themen wie den Klimawandel oder die Menschenrechte zu lenken. „Diese Verantwortung haben wir. Nicht als Schauspieler, sondern als Menschen.“

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