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Zum Tod der Sopranistin Edita Gruberova: Die Königin der Koloratur
Ihr Gesang war mehr als perfekte Technik. Für die slowakische Sängerin stand die Virtuosität immer im Dienst der Wahrhaftigkeit.
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Zum Beispiel Donizettis Oper „Roberto Devereux“ 2014 in der Philharmonie: Bereits nach Edita Gruberovas Auftrittsarie glich der Saal einem Hexenkessel. Denn auch im 46. Jahr ihrer Karriere war die damals 67-jährige Koloratursopranistin immer noch ein Ereignis. Atemberaubend raffiniert vermochte sie das italienische Belcantorepertoire zur interpretieren, mit feinsten emotionalen Schattierungen in den Rezitativen, mit Schwelltönen, die staunen machten, wenn sie in lichter Höhe eine Note ins zarteste Pianissimo zurücknahm.
Bei Edita Gruberova war Gesang aber mehr als perfekte Technik, für sie stand die Virtuosität immer im Dienst der Wahrhaftigkeit. Hinter der stupenden Virtuosität die Seele der dargestellten Figur aufscheinen zu lassen, das machte die hohe Kunst der slowakischen Sängerin aus.
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1946 in Bratislava zur Welt gekommen, wuchs sie in schwierigen familiären Verhältnissen auf – und entdeckte den Gesang als Fluchtmöglichkeit in bessere Welten. Nach dem Studium in ihrer Heimatstadt debütierte sie 1970 gleich an der Wiener Staatsoper in einer Rolle, die am Beginn ihrer Karriere zu ihrem Markenzeichen werden sollte, als „Königin der Nacht“.
In der Wahnsinnsszene aus „Anna Bolena“ war sie grandios
Mit mühelosen Koloraturen begeisterte sie das Publikum bald weltweit in Mozarts „Zauberflöte“, ab 1976 wurde sie in der ebenso stratosphärischen Partie der Zerbinetta in Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ gefeiert.
Zur vollen künstlerischer Reife aber schwang sich Edita Gruberova durch die Belcanto-Rollen auf, die Primadonnen-Partien in den ernsten Opern von Gaetano Donizetti und Vincenzo Bellini, die sich nur dann aufzuführen lohnen, wenn eine echte Diva zur Verfügung steht. Grandios, wie sie in der Wahnsinnsszene aus „Anna Bolena“ ihre Stimme vom leisester Verletzlichkeit bis zum Schmerzensschrei auszureizen konnte, um sie dann an einer feingliedrigen Koloraturkette wieder in die Regionen des kaum Hörbaren zurücksinken zu lassen.
Fast ein halbes Jahrhundert euphorisierte sie die Opernfans
„Je lauter die anderen singen, desto leiser werde ich“, lautete ihr Credo. Und fast ein halbes Jahrhundert lang vermochte sie die Opernfans damit zu euphorisieren. Klug ging sie mit ihrer Stimme um, wartete geduldig darauf, dass sich ihr Organ auf natürliche Weise weiterentwickelte, bis es endlich, kurz vor ihrem 60. Geburtstag, reif war für ihre absolute Traumrolle: die Druidenpriesterin in Bellinis „Norma“.
Weil sie nicht gerne reiste, bewegte sich Edita Gruberova vor allem in der Nähe ihrer Wahlheimat Zürich. Dessen Opernhaus wurde ihr zum künstlerischen Kraftzentrum, ebenso die großen Musiktheater in München und Wien. In Berlin dagegen war sie zum Kummer ihrer Fans nur selten zu erleben. Zwei Spielzeiten, nachdem sie sich von der Bühne verabschiedet hatte, ist die große Sängerin nun im Alter von 74 Jahren in der Schweiz gestorben.
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