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Kultur: „Die Kreuzritter waren ein gewalttätiger Haufen“ Regisseur Ridley Scott über Krieg, politische Korrektheit und die Vorzüge des Genre-Kinos

Ridley Scott, ist es nicht ziemlich verwegen, gerade jetzt einen Film zu machen, in dem sich Christen und Moslems bekriegen? Es war keine politische Entscheidung, sondern eher eine biografische.

Ridley Scott, ist es nicht ziemlich verwegen, gerade jetzt einen Film zu machen, in dem sich Christen und Moslems bekriegen?

Es war keine politische Entscheidung, sondern eher eine biografische. Ich entwickle immer etwa vier Projekte gleichzeitig, und den Wunsch, einen Ritterfilm zu machen, trage ich schon sehr lange mit mir herum. Die Figur des Ritters und alles, was damit zusammenhängt, fasziniert mich sehr. Der Plan dazu war ausgearbeitet, so dass die Zeit dafür reif war.

Sie hätten auch einfach Prinz Eisenherz neu auflegen können.

Gewiss nicht. Wenn man einen Ritterfilm macht, dann nur vor dem Hintergrund der Kreuzzüge. Sonst gerät das zu einem reinen Abenteuerfilm.

Ihre Entscheidung für diesen Film war also vorwiegend eine für das Genre?

Absolut! Ich wähle immer ein Genre, das mich irgendwann einmal beeindruckt hat. Ich nehme es wieder auf, weil ich das Gefühl habe, ich könnte es verbessern (lacht). Das Schöne am Genrekino sind die Personen, die sich in Situationen wieder finden, in denen sie über sich hinauswachsen müssen. So begeistert man ein großes Publikum auch für schwierige Themen. Für mich war das Kino immer schon das Theater des Volkes, denn es ist zugänglicher als das anspruchsvolle „Theater“-Theater. Nicht, dass ich solche Dinge nicht auch schon gemacht hätte – „Blade Runner“ war ein ziemlich intellektueller Film und hat das Publikum verwirrt. Was mir damals allerdings egal war.

Das ist bei einem Kreuzritter-Epos heutzutage kaum möglich.

Natürlich nicht. Vor allem bei der Gestaltung des Saladin mussten wir sehr genau sein, denn er ist eine hoch verehrte Figur in der muslimischen Geschichte. Wir hatten aber das Gefühl, dass unser Entwurf so nahe an den historischen Begebenheiten war, dass auch die politischen Geschehnisse der letzten Jahre keine Änderungen daran nötig machen würden – etwa um den Film politisch korrekt aussehen zu lassen. Im Gegenteil, Saladin passt bestens in unsere Zeit.

Wie haben Sie sich beraten lassen?

Es gab in jeder Phase des Projekts Kontakt zu Experten. Doch Ghassan Massoud, der syrische Darsteller des Saladin, der ja nicht nur einer der bekanntesten Schauspieler der islamischen Welt ist, sondern auch ein Korangelehrter, war der wichtigste Berater. Er machte mich auf Details aufmerksam, die uns sonst entgangen wären. Der Islam verbietet es, fremde Glaubensymbole zu beschädigen. Es hätte Moslems empört, wenn durch Nachlässigkeiten am Set im Film ein anderer Eindruck entstünde, etwa wenn brennende Bürokratie-Papiere für christliche Schriften gehalten werden. Am Ende läuft Saladin durch einen Saal und stellt ein am Boden liegendes Kreuz auf den Tisch – auch das war Massouds Vorschlag. Ein großer Moment: Er tut es beiläufig, ohne falsche Leidenschaft oder Sentimentalität.

Es gibt erstaunlich wenig religiöse Rhetorik in Ihrem Film.

Die einzigen Extremisten dieser Zeit standen ja auf Seite der Christen – die Gruppe der Templer, die darauf bestanden, dass Gott mit ihnen sei. Deshalb rennen sie ja auch wie die Blöden in die Wüste und lassen sich dort aufreiben. Saladin dagegen war trotz seiner Religiosität ein kluger Stratege, fast ein Humanist, der auch von Christen bewundert wurde. Er war alles andere als ein Fanatiker.

Ein Kernsatz ist der vom „richtigen Tun“. Balian tut etwas Richtiges, nimmt aber viele Tote in Kauf. Ist er ein Extremist?

Es ist, als sagte man zu ihm: Wirf die Bombe ab, um noch mehr Tote zu verhindern. Aber eine hinterhältige Tat hätte ihm keine Ruhe gelassen. Ich frage mich, ob sich jemand weigerte, die Bombe nach Hiroshima zu fliegen? Vermutlich nicht, denn die Gegner waren klar umrissen. Das ist in Jerusalem keineswegs der Fall. Denn wem gehört Jerusalem?

Ihren Somalia-Kriegsfilm „Black Hawk Down“ nannten Sie einen Antikriegsfilm, aber pro-militärisch. Sind Interventionssoldaten die modernen Ritter?

Das ist sehr schwer zu vergleichen. Es wäre naiv zu sagen, dass es niemals Grund für militärisches Eingreifen gibt. Es kommt der Moment, wo jemand das Heft in die Hand nehmen muss. Diesen kurzen Frieden unter König Balduin IV. könnte man vielleicht mit Friedensmissionen vergleichen. Doch ansonsten waren die Kreuzritter in Israel ein ziemlich gewalttätiger Haufen.

Welchem Genre werden Sie sich jetzt zuwenden? Ein Western wäre mal fällig.

Da haben Sie verdammt Recht! Das Drehbuch ist in Arbeit.

Das Gespräch führte Sebastian Handke.

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