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Das liebste Satzzeichen von Donald Trump.

© Imago

Die Kunst der Zeichensetzung: Komma und Co.

In den USA herrscht derzeit das Ausrufezeichen. Dabei sind andere Satzzeichen viel ausdrucksstärker. Eine persönliche Rangliste.

Klaus Brinkbäumer war zuletzt Chefredakteur des „Spiegel“ und arbeitet heute als Autor unter anderem für „Die Zeit“. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.

Die Kommunikation unserer Zeiten ist laut, Amerikas Wahlkampf ein einziges Ausrufezeichen. Gerade aber habe ich den ersten Urlaub dieses seltsamen Jahres gewagt, an der Atlantikküste von Maine, Romane lesend, mit dem Kind in sanften Wellen spielend, entweder nur auf die Literatur konzentriert oder nur auf die Gegenwart.

Penible deutsche Anführungszeichensetzung

Das Ferienleben ist ein einziges Komma, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Verstehen Sie nicht? Ich erklär‘s Ihnen gern. Ich habe an dieser Stelle bereits von meiner Liebe für das Semikolon berichtet und auch davon, dass ich Satzzeichen an und für sich liebe. Gedankenstriche mag ich allerdings nicht – die finde ich selten nur passend, meistens angeberisch.

Die penible deutsche Art, Anführungszeichen zu setzen, gefällt mir hingegen sehr, da das Zitat manchmal den Punkt explizit einschließt, wenn nämlich der ganze Satz Zitat ist, manchmal aber nicht, wenn er dies eben nicht ist; wohingegen ich die amerikanische Zitierweise falsch, unlogisch, darum erschütternd komisch finde: “The Secret Service told me, ‘You can’t do it,’” he said, das stand so am Samstag in der "New York Times".

Komma Abführung Abführung, wieso bitte? Heißt das Zitat wirklich „Sie können das nicht tun Komma“?

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

Sollte ich eine persönliche Rangliste der Satzzeichen aufstellen, stünden Semikolon und Komma auf Platz eins, gemeinsam. Dritte wäre die deutsche An- und Abführung.

Auf Platz 4: der Apostroph (er verdient eine eigene Kolumne, bald, vermutlich aber nicht mehr vor der amerikanischen Wahl). 5. die Klammer (wenn ihr Inhalt nicht ebenso gut gestrichen werden könnte). 6. die drei Punkte … 7. der eine Punkt (denn jeder Satz muss enden). 8. der Bindestrich. 9. der Gedankenstrich. 10. das Ausrufezeichen.

Das Ausrufezeichen macht Krach. NIMM! MICH! WAHR!!! schreit es. Das Ausrufezeichen ist das liebste Satzzeichen der „Bild“-Zeitung, vieler Twitterer, der Trumps, es ist ein wütendes Aufstampfen mit dem Fuß, und warum sollten wir jeden Ausbruch mit Aufmerksamkeit ehren? Verheiratet ist das Ausrufezeichen mit den Versalien, die die gleiche Menge an Verachtung verdienen. Bayern München twittert seine Tore wie Trump seine Fake News: „GNAAAAAAAAAAAAAAAAABRYYYYYYY!“

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Ähem. (In Klammern kann man sich übrigens sehr schön fremdschämen.)

Hingegen das Komma. Es macht den Satz lesbar, verstehbar, sprechbar, zählt auf und teilt, aber milde, nämlich nur für einen Augenblick. Das Komma (griechisch: κόμμα, kómma, „Einschnitt“) ist zart und fein, hat trotzdem Kraft, was es dadurch anzudeuten weiß, dass es die Schriftlinie nach unten durchschneidet, und es erschafft Takt, damit Rhythmus. Uns schenkt es eine Pause, die wir denkend, fühlend zum Luftholen nutzen sollten.

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Im Englischen gibt es „the Only Comma“. Allein das Komma verrät uns, ob Clara die einzige Tochter ist: „Er reiste nach Pompeji mit seiner Tochter Clara.“ Oder: „Er reiste nach Pompeji mit seiner Tochter, Clara.“

Der Random-House-Lektor Benjamin Dreyer gibt uns auch dieses Beispiel: „Elizabeth Taylors zweite Heirat, mit Michael Wilding.“ Oder aber: „Elizabeth Taylors zweite Heirat mit Richard Burton.“ Beide Sätze stimmen, wegen des Kommas und wegen dessen Fehlens.

„Ein Komma am falschen Ort kann unglaublich geschwätzig sein“, wusste der französische Schriftsteller Henry de Montherlant. Am richtigen Ort aber sitzt es perfekt, ungefähr so wie ein Sonnenuntergang in Maine Ende August (s.o.). Auch die Dichterin Kerstin Preiwuß hat zwei Sätze für uns: „Ich mag meine Familie kochen und meinen Hund.“ Oder: „Ich mag meine Familie, kochen und meinen Hund.“

„Holzwegeffekt“ heißt das, wenn wir einen Satz zuerst falsch verstehen. Wenn halt das Komma fehlt oder wenn es irgendwo steht, nicht aber am Ort seiner Bestimmung.

Klaus Brinkbäumer

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