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Kultur: Die Schmerzensfrau

Salma Hayek erfüllt sich einen Lebenstraum: Sie spielt die Malerin Frida Kahlo – in Julie Taymors „Frida“

Ende der Siebziger hatte eine einigermaßen emanzipierte Frau zwei Möglichkeiten, ihre innere Haltung auch im Raumdekor zu präsentieren. Entweder brachte sie an passender Stelle ein sehr ätherisch anmutendes Porträtfoto von Virginia Woolf an, die mit einigen Schriften den Grundstein für ein weiblich-literarisches Gegenprogramm geliefert hatte. Alternativ kam ein Gemälde in Frage, das eine Frau mit kurzem zurückgekämmten Haar auf einem Stuhl zeigte, in der rechten Hand noch die Schere, auf dem Boden das abgeschnittene Haar – und über allem eine schöngepinselte Liedzeile, die zugefügtes Leid in Trotz umzudeuten versucht.

Das Selbstporträt Frida Kahlos ist eines von vielen, in denen die mexikanische Malerin in drei Jahrzehnten immer wieder versucht hat, die Verletzungen ihres schmerzerfüllten Lebens durch den Ausdruck künstlerischer Schönheit zu bewältigen. Vielschichtig angelegte naive Votivbilder, die mit Realismus und überschäumender Phantasie das Innerste nach Außen bringen, drastisch oft, doch immer auch umwerfend schön.

Woolf und Kahlo wurden zu Ikonen, beide längst auch in mehrfachen künstlerischen Deutungen wiederbelebt. Jetzt sind sie in Hollywood angekommen: Virginia Woolf wird demnächst in einer merkwürdig verbissenen Interpretation durch Nicole Kidman zu besichtigen sein – „The Hours“ war bereits auf der Berlinale zu sehen. Frida Kahlo wiederum erlebt ihre Wiedergeburt im Körper der mexikanischen Schauspielerin Salma Hayek, die seit einigen Jahren nicht ganz ohne Erfolg versucht, in Hollywood Karriere zu machen.

Seit zehn Jahren kämpfte Hayek um die Rolle als Frida – zunächst nur als Schauspielerin, später boxte sie auch als Produzentin ihr Projekt gegen viele Widerstände bei Miramax durch, nachdem die unabhängige Produktionsgesellschaft Trimark den Stoff aufgegeben hatte. Als Darsteller ihres Lebenspartners Diego Rivera wurde Alfred Molina gewonnen. Regie führt – nach der Biografie von Hayden Herrera – die Theater- und Opernregisseurin Julie Taymor.

Auch im Film hat Taymor Fridas Leben in Akte geteilt: Kapitel, deren Überschriften mit animierten Einschüben die Abschnitte im Leben der Künstlerin voneinander trennen und Fridas Gemälde in lebendige Bilder verwandeln. Manche davon sind mehr, manche weniger gelungen – eines etwa, der Ehemann Rivera als tobenden King Kong inszeniert. Dazwischen wird nacherzählt, so bildprächtig, thesenträchtig, so schön bunt und so banal, wie es die Kombination von rebellischem Leben und Kinogeschäft erlaubt.

Keine der bekannten Lebensstationen wurde dabei ausgelassen: der Straßenbahnunfall, der das junge Mädchen für Monate ans Bett fesselte und dem lebenslange Behinderung und unzählige Operationen folgten; Fridas Freundschaft zu der Fotografin Tina Modotti und ihre gleichgeschlechtlichen Affären; der Vater, Trotzki auch – und Fridas intensive und schwierige Ehe mit dem Malerkollegen und notorischen Fremdgeher Diego Rivera. So sehr schiebt diese Liebe sich in den Vordergrund, dass der Film vielleicht besser „Frida und Diego“ hieße oder, im zweiten Teil, auch „Diego und Frida“.

Eine fast enzyklopädische Biografie also – und trotzdem fehlt am Schluss genau das, was das Besondere dieses Lebens ausmachte. Fridas Unfall, von Taymor in schmerzverzerrter goldbestäubter Zeitlupe nachgeträumt, scheint da als Versuch, spezifische Erfahrung ästhetisch nachzuempfinden, noch am gewagtesten. Am schwächsten kommt Kahlo als Künstlerin und politischer Mensch weg: Die Konflikte werden kurzerhand an den Ehemann delegiert. Für die Frau bleibt – traditionell – die emotionale Seite. Auch die Begegnung mit Trotzki wird auf den amourösen Racheakt am Ehemann reduziert. Übrig bleibt ein Künstler- und Ehedrama um Untreue und Verzicht – mit strukturell austauschbarem Personal.

Ein typisches Bio-Pic-Problem, auch wenn Regisseurin Taymor bewusst Fridas Geschichte als Liebesgeschichte deutet. Ein typisches Hollywood-Problem dagegen die Unfähigkeit, Körperschmerz ohne Blut und Wunden zu zeigen. So wird Fridas Schmerz – eine Konstante ihres Lebens – zwar einige Male behauptet, doch auf der Leinwand nicht präsent. Säuberlich wird er in Szenen verpackt, statt auszustrahlen in jede Geste, jedes Bild. Ein Repräsentations-Dilemma, an dem eine Darstellerin wie Salma Hayek trotz aller Künste scheitern muss: Ein Model-Körper bleibt ein Model-Körper, auch – oder gerade – wenn man ihn kunstvoll in Gips verpackt; schließlich soll die Erotik ja auch nicht auf der Strecke bleiben. Ein hübsches Star-Gesicht bleibt ein Star-Gesicht, auch wenn man ein paar zusammengewachsene Augenbrauen aufmalt: von Anpassung gezähmt. Dabei ist es gerade das Rohe, Ungebändigte in Kahlos Zügen, das in dokumentarischen Bildern so fasziniert. Dennoch sollten wir Salma Hayek dankbar sein: Immerhin hat sie uns Jennifer Lopez als Frida Kahlo erspart.

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