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Die Glashalle der Leipziger Buchmesse. Hier wird der Preis der Messe verliehen.

© imago images / Christian Spicker/Christian Spicker

Die Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse: Zeit der Verwandelten

So verfeinert wie lange nicht, so weiblich wie wohl noch nie, und erstmals auch mit einem Comic: die Nominerungen für den Preis der Leipziger Buchmesse, der am 27. April vergeben wird.

Wenn am 27. April, also gut einen Monat später als sonst, nach drei Jahren pandemiebedingter Pause der Preis der Leipziger Buchmesse wieder in der Glashalle des Leipziger Messegeländes ausgelobt wird, kann es gut sein, dass ein alter Bekannter einen der drei Preise bekommt: Clemens J. Setz. Denn 2011 gewann Setz schon einmal mit seinem Roman „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“.

Jetzt ist er erneut nominiert mit seinem biografischen Roman über den Wormser Schriftsteller, Religionsgründer und Hohlwelt-Apologeten Peter Bender. In puncto Prominenz ist Setz’ größte Konkurrentin in der Kategorie Belletristik die Berliner Schriftstellerin Ulrike Draesner, die für ihren Roman „Die Verwandelten“ ausgewählt wurde. Dieser erzählt zahlreiche deutsch-polnische Geschichten, in denen es um den Zweiten Weltkrieg, um Flucht und Vertreibung geht. Wie Setz, der vergangenes Jahr den Georg-Büchner-Preis erhielt, ist Draesner eine vielfach ausgezeichnete Autorin, unter anderem bekam sie 2016 den Nicolas-Born-Preis und 2020 den Bayrischen Buchpreis.

Gewinnt eine Außenseiterin?

Dagegen sind die anderen Nominierten weniger bekannt: Angela Steidele ist mit ihrem historisch-feministischen Roman „Aufklärung“ über die Gottscheds und die Tochter von Bach dabei, Joshua Groß mit seiner Generationsdystopie „Prana Extrem“ und Dincer Gücyeter mit seinem vielstimmigen Gastarbeiterinnen- und Familienroman „Unser Deutschlandmärchen“. So wie in den vergangenen Jahren Außenseiterromane von Iris Hanika und Tomer Gardi das Rennen machten, könnte es gut sein, dass dieses Jahr Steidele, Groß oder Gücyeter gewinnen.

Auch wenn dieser Preis in Leipzig nicht die Strahlkraft seines Pendants in Frankfurt, des Deutschen Buchpreises, hat, zeichnet ihn aus, nicht nur Romane zu prämieren, sondern auch Sachbücher und Übersetzungen. Die stehen zwar in der Berichterstattung immer etwas im Schatten der Belletristik, sind aber häufiger mal die interessanteren, besseren Bücher, bei den Übersetzungen oft kein Wunder, weil mitunter Weltliteratur.

Dieses Mal handelt es sich eher um Entdeckungen, wie Nicole Naus Übersetzung aus dem Lettischen von Zigmund Skujins „Das Bett mit dem goldenen Bein. Legende einer Familie.“ Oder Brigitte Oleschinskis und Osman Yousufis Übersetzung aus dem Arabischen von Lina Atfahs „Grabtuch aus Schmetterlingen“.

Dazu kommen die Potsdamer Schriftstellerin Antje Rávik Strubel, die Monika Fagerholms „Wer hat Bambi getötet“ aus dem Schwedischen übersetzt hat, Johanna Schwering, die Aurora Venturinis Roman „Die Cousinen“ aus dem argentinischen Spanisch übertrug sowie Katharina Triebner-Cabald, die für Max Lobes „Vertraulichkeiten“ als Französisch-Übersetzerin verantwortlich war. Übersetzungen, so wirkt das bei der Auswahl in diesem Jahr, scheinen vor allem Frauensache zu sein.

Erstmals ein Comic dabei

Fehlen die Sachbücher. Hier ragen vielleicht Oliver Nachtweys und Carolin Amlingers vieldiskutierte Untersuchung über den libertären Autoritarismus („Gekränkte Freiheit) und Jan Philipp Reemtsmas Porträt von Christoph Martin Wieland (siehe Seite 27) heraus.

Dazu kommt erstmals ein Comic, nämlich die Lebensgeschichte der schwarzen Germanistikprofessorin Priscilla Layne, die Birgit Weyhe erzählt, Regina Scheers Porträt von Hertha Gordon-Walcher („Bittere Pillen) sowie Simone Schlindweins Buch „Der grüne Krieg. Wie in Afrika die Natur auf Kosten der Menschen geschützt wird – und was der Westen damit zu tun hat.“ Über diese ganze Shortlist lässt sich problemlos sagen: So viel Verfeinerung war lange nicht. Was wiederum Setz und Reemtsma zu absoluten Außenseitern macht.

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