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Kultur: Die zehn Probleme

Film und Mathematik – das passt zum „abstrakten Kino“ diverser Avantgarden, die mit seriellen Reihungen und aleatorischer Kombinatorik spielen. Das MathFilm-Festival in der Urania setzt lieber auf den direkten thematischen Bezug.

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Film und Mathematik – das passt zum „abstrakten Kino“ diverser Avantgarden, die mit seriellen Reihungen und aleatorischer Kombinatorik spielen. Das MathFilm-Festival in der Urania setzt lieber auf den direkten thematischen Bezug. Eröffnet wird es am Montag mit George Csicserys Dokumentation über „Julia Robinson and Hilbert’s Tenth Problem“, einem Porträt der 1983 verstorbenen Mathematikerin, die als erste Frau an die Spitze der American Mathematical Society vorstieß. Hilberts Problem, auch H10 genannt, beschäftigt sich damit, ob und wie man die Lösbarkeit diophantischer Gleichungen voraussagen kann. Zu abstrakt? Sehr konkret – und wichtig etwa im Computerwesen, damit der arme Prozessor nicht in alle Ewigkeit vor sich hinrechnen muss.

Mit wissenschaftlich anmutenden Bildwelten operiert auch der Schweizer Filmemacher Thomas Imbach , dem das Arsenal eine Werkschau widmet. Imbach machte sich Mitte der Neunziger mit seriell geschnittenen Dokumentarfilmen einen Namen. „Nano-Babies“ (heute und Montag) montiert grafische Computersimulationen von Gebirgsketten und anderen Geländeformationen mit Nahansichten von Kleinkindern in einer modernen Kinderaufbewahrungsstätte und Außenaufnahmen von Baustellen und Bürovorstadtarchitektur. Erwachsene kommen nur als Schemen im Hintergrund vor. Kommentare oder Erklärungen gibt es nicht – ja, der Kontext zum sozialen Raum dieser Situationen bleibt, als Stilmittel, bewusst ausgespart. Andererseits suggeriert Imbach durch Musik und Montage eine nebulös technophobe Atmosphäre, die den Zuschauer zur Bildung einer bequem tautologischen Assoziationskette einlädt. So mag „Nano-Babies“ vor allem jene begeistern, die sich eher an der Anspruchshaltung einer elitären Filmgemeinde als an der Vermittlung ästhetischer Inhalte selbst orientieren.

Amüsantes Paradox: Die vom Film selbst verweigerten Informationen werden durch Rezensionen denn doch mitgeliefert. So behauptet sich in jedem noch so kurzem Text zu „Nano-Babies“ seit der Uraufführung 1998 ein Zusammenhang, den der Film selbst ausdrücklich nicht herstellt: dass sich die gezeigte Kinderkrippe auf dem Gelände der Züricher ETH befindet, wo die Eltern der Kinder als Wissenschaftler arbeiten. So schafft sich das ästhetisch naive Bedürfnis nach klaren Zuordnungen hinterrücks die nötige Befriedigung.

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