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Der Buchhandel in Südafrika in der Krise: Digital überleben in Zeiten des Lockdown
Wenn die Leserinnen und Leser fernbleiben: Wie sich Bridge Books, ein Buchladen in Johannesburg, durch die Pandemie kämpft.
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Es ist einer der wärmeren Spätfrühlingstage in Johannesburg, in Nordeuropa ist Winter. Bei Bridge Books im Stadtteil Marshalltown reden die wenigen Menschen, die sich zwischen und um die Regale herum auf Stühlen versammelt haben, vom seit Wochen überfälligen Regen. Nichts ist, wie es sein sollte. Vor zwanzig Monaten kündigte Präsident Cyril Ramaphosa an, dass das Land als Reaktion auf die weltweite Corona-Pandemie in einen Lockdown versetzt würde. Uns ist mittlerweile nur allzu bitter bewusst, was das bedeutet.
In Südafrika wurden Unterhaltung, Bildung, Kultur schwer getroffen
Trauer und Verwüstung. Ein virtueller Abschied nach dem anderen. Der magere Trost einer Stimme am anderen Ende der Leitung, wo es eine gehaltene Hand, eine Umarmung gebraucht hätte. In Südafrika wurde der Sektor der Unterhaltung, Bildung und Kultur schwer getroffen.
Auch nach zwei Jahren Pandemie warten Kunstschaffende immer noch auf die versprochene Unterstützung der Regierung. Ohne Restaurants, Jazzclubs, Galerien und Buchläden, in die man gehen könnte, schlagen sich zahlreiche Institutionen um ein Stück Grundbesitz in der Onlinewelt.
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JiaJia Fei eröffnete die erste digitale Kunstberatung der Welt, deren Launch mit dem globalen Lockdown zusammenfiel. Sie führt aus, wie diese schnellen digitalen Erkundungsmissionen zwar nötig sind, aber zu noch größeren Schäden für Institutionen führen können. Das gilt nicht nur für Südafrika: „Die Dringlichkeit einer Onlinepräsenz für Museen, Galerien und Kunstorganisationen, insbesondere wenn sie von der globalen Schließung kultureller Räume vorangetrieben wird, ähnelt in vielem der Umwälzung, die die Zeitungen seit einigen Jahren erleben,“ sagt sie. „Und fragen sich viele überall auf der Welt: Wie verlagern diese Räume ihre Geschäftstätigkeit in den Onlinebereich, wenn alle nur noch online interagieren können? Noch wichtiger, wie können wir sicherstellen, dass diese Organisationen im Geschäft bleiben?“
Bridge Books liegt ganz in der Nähe des größten Bahnhofs Afrikas
Auch Bridge Books ist davon betroffen. Griffin Shea, der Gründer des Buchladens, landete durch einen glücklichen Zufall in Johannesburg. Der ehemalige Journalist machte seinen Master in Creative Writing an der Witwatersrand-Universität. „Und das warf bei mir die Frage auf: Was passiert mit den ganzen Büchern?“
Bridge Books, ein winziger Laden im Mezzanin, liegt weniger als einen Kilometer von der Park Station entfernt, dem größten Bahnhof Afrikas und ein Knotenpunkt für den öffentlichen Personennahverkehr per Bahn und Bus. Vor der Pandemie passierte täglich mehr als eine Million Nutzer*innen im Zug das gewölbte Innere der Station. Nicht eingerechnet die halbe Million in Bussen und die zahllosen zusätzlichen Nutzer*innen von öffentlichen Taxis. Direkt vor dem Bahnhof, auf dem Gehweg unter Sonnenschirmen aufgereiht, findet man Händler*innen von vorwiegend gebrauchten Büchern.
Rund um die Park Station gibt es die verschiedenen Buchläden
Hier gibt eigentlich etliche Buchläden. Oder besser Läden, die auch Bücher verkaufen. Einer verkauft beispielsweise auch Mäntel, Haarverlängerungen, pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel. Es gibt einen christlichen Buchladen, der nur mundartliche Bücher anbietet. Einen anderen, der nur Bücher von nigerianischen Megakirchen importiert. Wenn man dort herumspaziert, merkt man, dass in der Stadt sehr vieles gelesen wird, das absolut keine Verbindung zu dem aufweist, was als Mainstream-Verlagswesen gelten kann.
Aber selbst diese robuste Lesekultur hat gelitten. In den ersten drei Monaten des harten Lockdowns durften die Menschen kaum das Haus verlassen. Bücher galten als nicht lebenswichtige Güter. Thabiso Mthimkhulu ist Filialleiter bei Bridge Books. Er erzählt, dass jetzt nach der Lockerung nur wenige Menschen in das Geschäft zurückkommen. „Sie gehen lieber online. Und online brauchten wir wirklich eine bessere Präsenz."
Per Stream verband sich Bridge Books mit Menschen außerhalb der Stadt
Sie haben digitale Veranstaltungen organisiert und lockten damit Menschen von außerhalb der Stadt an. Das vergrößerte die Basis potentieller Käufer*innen. Neue technische Ausrüstung wurde angeschafft, Angestellte wurden geschult. „Wir hatten auch vorher schon immer versucht, unsere Veranstaltungen zu streamen“, erzählt Shea. „Aber es war echt schlecht. Wir lehnten ein Handy gegen ein Buch und streamten live auf Facebook. Und der Sound war so schlecht, dass einem die Ohren weh taten.“
So sehr das persönliche Erleben auch dazu beiträgt, Literatur zu den Menschen zu bringen, kann doch die digitale Sphäre, wenn sie gut produziert ist, ebenfalls einen Weg der Verbindung bieten. Bridge Books konnte die Premiere von Zakes Mdas Roman „The Wayfarer’s Hymns“ auf Bildschirme bis nach Kanada und die USA streamen.
Für den nächsten Lockdown ist vorgesorgt: Der Kontakt bleibt
„Wir haben jetzt ein System, auf dem wir auch in Zukunft aufbauen können, wenn es einen erneuten Lockdown gibt. Wir können noch arbeiten. Wir können mit unserer Kundschaft in Kontakt bleiben“, sagt Shea. Und das ist extrem wichtig, nicht nur für die Buchhändler, sondern auch für die Atmosphäre der Stadt. So kommt sie mit sich selbst auf eine ganz andere Art in Kontakt.
(Lindokuhle Nkosi ist eine südafrikanische Schriftstellerin, die sich in ihren Texten mit Kunst und marginalisierten Gemeinschaften auseinandersetzt. Die Übersetzung hat Elisabeth Meister übernommen. Bridge Books wird gefördert mit dem Internationalen Hilfsfonds vom Auswärtigen Amt, dem Goethe-Institut und zahlreicher weiterer Partner.)
Lindokuhle Nkosi
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