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Sabine Schormann

© Swen Pförtner/dpa

Update

Nach Antisemitismus-Eklat: Documenta-Chefin Schormann legt Amt nieder

Der Dienstvertrag mit Sabine Schormann werde einvernehmlich aufgelöst, teilte der Aufsichtsrat der Kunstausstellung mit. Ihr Rücktritt war vielfach gefordert worden.

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Am gestrigen Freitag tagte der Aufsichtsrat der Documenta in einer Sondersitzung, bis spät in die Nacht. Nun hat er das Ergebnis der Sitzung bekanntgegeben: Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann legt ihr Amt nieder, nachdem sie wegen der mangelnden Aufarbeitung des Antisemitismus-Skandals auf der Documenta fifteen vielfach kritisiert worden war. Schormann hatte die Kritik jedoch nicht angenommen und ihre Arbeit verteidigt.

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Man habe sich einvernehmlich geeinigt, ihren Dienstvertrag kurzfristig aufzulösen, teilte der Aufsichtsrat der Kunstausstellung am Samstag mit. Eine Interimslösung für die Nachfolge werde jetzt angestrebt.

Das Gremium um den Vorsitzenden, Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD), und seine Stellvertreterin, Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne), zog damit die Konsequenz aus dem Antisemitismus-Eklat auf der diesjährigen Schau. Ein Werk mit antisemitischer Bildsprache, das Großbanner "People's Justice" der indonesischen Künstlergruppe Taring Padi auf dem zentralen Friedrichsplatz, war nach einer Welle der Empörung nur wenige Tage nach dem Start der Weltkunstausstellung entfernt worden.

Schon seit Januar hatte es Vorwürfe gegen des Kuratorenkollektiv Ruangrupa ebenfalls aus Indonesien gegeben, in der Kritik stand die Nähe einzelner Mitglieder zur Israel-Boykottbewegung BDS.

Der Aufsichtsrat distanzierte sich deutlich von dem Werk: „Die Präsentation des Banners „People's Justice“ des Künstlerkollektivs Taring Padi mit seiner antisemitischen Bildsprache war eine klare Grenzüberschreitung und der Documenta wurde damit ein erheblicher Schaden zugefügt.“ Der Vorfall müsse zeitnah aufgeklärt werden.

Am 21. Juni wurde in Kassel das Banner "People's Justice" mit antisemitisch karikierten Figuren abgebaut, nachdem es zunächst verhängt worden war.

© dpa/Uwe Zuchki

In den vergangenen Wochen waren immer wieder Rücktrittsforderungen gegen die 60-Jährige erhoben worden, unter anderem vom Zentralrat der Juden in Deutschland sowie von der CDU-Abgeordneten Gitta Connemann. Auch Kunstministerin Angela Dorn hatte scharfe Kritik an Schormann geübt. Unter anderem wurde der Generaldirektorin Untätigkeit bei der Aufarbeitung des Skandals vorgeworfen.

Zuletzt hatte sich der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, als vorgesehener und bereits benannter Berater der Documenta zurückgezogen. Er hatte eigentlich Teil einer Expertenkommission sein sollen, die die auf der Documenta fifteen präsentierten Werke auf mögliche weitere antisemitische Inhalte prüfen sollte. Schormann habe ihren Ansagen aber keine Taten folgen lassen, kritisierte er. In der Folge erklärte mit Hito Steyerl eine der international wichtigsten Künstlerinnen, ihre Werke von der Schau abzuziehen.

Bis zuletzt hatte Schormann alle Vorwürfe zurückgewiesen

Noch Anfang der Woche hatte Schormann sich in einem ausführlichen Statement auf der Webseite der Weltkunstausstellung vehement verteidigt. Mit ihrer Darstellung des Geschehenen stieß sie jedoch auf harsche Kritik und provozierte unter anderem den Widerspruch von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die die Ereignisse seit Januar anders darstellte, ebenso wie Berater, die im Lauf des Frühjahrs hinzugezogen worden waren und ihre Arbeit von Schormann falsch erläutert sahen.

Die Kulturmanagerin Schormann war im Herbst 2018 als Generaldirektorin nach Kassel gewechselt. Im Jahr zuvor war die gemeinnützige Documenta GmbH wegen eines Millionendefizits bei der Documenta 14 im Jahr 2017 in die Schlagzeilen geraten. Die damalige Geschäftsführerin, die Kunsthistorikerin Annette Kulenkampf, hatte daraufhin ihr Amt niedergelegt. Übergangsweise hatte zunächst der Musikmanager Wolfgang Orthmayr die Geschäfte geführt.

Vor ihrem Wechsel nach Kassel war Sabine Schormann in Doppelfunktion Direktorin der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der VGH-Stiftung gewesen. Bei der Documenta gehörte zu ihren Aufgaben unter anderem die Vorbereitung und Organisation der diesjährigen Ausstellung. Die gebürtige Bad Homburgerin ist Germanistin und Kulturmanagerin. In den 1980er-Jahren studierte sie Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Mainz. 1992 wurde sie zu einem Thema über Bettina von Arnim promoviert. (Tsp, dpa)

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