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Kultur: Donnerlittchen!

Am Ende des Abends wäre der Kritiker gerne eine Ein-Mann-Band: Um Michael Helmrath und den Brandenburger Symphonikern einen Tusch zu spielen. Als Dank für einen dieser seltenen Abende, an denen wirklich alles stimmt im Orchestergraben.

Am Ende des Abends wäre der Kritiker gerne eine Ein-Mann-Band: Um Michael Helmrath und den Brandenburger Symphonikern einen Tusch zu spielen. Als Dank für einen dieser seltenen Abende, an denen wirklich alles stimmt im Orchestergraben. Helmraths "Freischütz" ist ein Meisterwerk musikalischer Rhetorik. Hier hat jede Phrase, jede Begleitfloskel etwas zu erzählen von den Seelenlandschaften der Protagonisten, hier erblüht aber auch - dank kluger Klangbalance - Carl Maria von Webers Romantik in leuchtenden Farben. Und weil die Musiker ihrem Chefdirigenten auf seinem Weg in die Tiefen des Werkes mit Ernsthaftigkeit und nie ermüdender Konzentration folgen, belebt sich die tausendmal gehörte Partitur neu bis in die feinsten Verästelungen der Nebenstimmen.

Michael Helmrath, der seine Musikerkarriere als Solo-Oboist der Münchner Philharmoniker unter Sergiu Celibidache begann, ist ein Glücksfall für das so schwer gebeutelte Brandenburger Theater. In den Jahren seit der Wende wechselten die Intendanten in der Havelstadt häufiger als italienische Ministerpräsidenten. Und bei jedem Austausch in der Leitungsebene brach das Dreisparten-Haus ein weiteres Stück in sich zusammen - bis am Ende zwar ein neues, mit EU-Mitteln finanziertes Gebäude dastand, das Personal aber bis auf Orchester und eine Rumpf-Technik und -verwaltung rausgeschmissen war. Chor und Solisten werden seitdem nur noch projektweise engagiert und bezahlt. Als Helmrath sein Amt im Herbst 1999 antrat, übernahm er somit die Hülle eines Hauses, von dem sich das Publikum abgewandt hatte.

Dass inzwischen der Saal wieder voll ist, liegt einerseits an der stupenden Qualitätssteigerung des Orchesters unter Helmraths Ägide, andererseits am durchaus unspektakulären Auftreten des derzeitigen Intendanten Christian Kneisel. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern macht Kneisel in Brandenburg kein Theater für die Kritiker überregionaler Feuilletons, sondern für die Menschen vor Ort. Darum setzt er fürs erste Stücke an, die das Publikum auch wirklich sehen will: Benatzkys "Weiße Rössl", Mozarts "Entführung aus dem Serail", Puccinis "Tosca" und eben den "Freischütz". Und darum wohl hat Kneisel mit Manfred Straube auch einen Hausregisseur verpflichtet, der vor allem ein guter Handwerker ist.

Allerdings: Wo die musikalische Seite so erregend wirkt, ist der Zuschauer fast dankbar, dass die Inszenierung dieses "Freischütz" konventionell ausfällt. Straube bebildert die Geschichte geschmeidig und routiniert, Ausstatter Karl-Heinz Abramowski improvisiert ein Waldweben zum Schnäppchenpreis. Die Action ist wohldosiert: In der Wolfsschlucht-Szene zieht unter Donner und Blitz der dreißigjähige Krieg im Schnelldurchlauf vorbei, bei den gut arrangierten Ensembleszenen ist der Kammerchor Brandenburg in seiner Spielfreude kaum zu bremsen.

Aus der soliden Sängerriege sticht Ines Wilhelm hervor: Mit sonnig-hellem Sopran und einem Operettenlächeln auf den Lippen singt sie ein Ännchen wie aus der "Rotbäckchen"-Reklame. Und auch ein alter Bekannter ist mit von der Partie: Siegfried Lorenz, der Vorwende-Heldenbariton der Berliner Lindenoper, prunkt als Fürst Ottokar mit seinem immer noch beeindruckenden vokalen Material.

Der Frühling fängt gerade erst an in Brandenburg an der Havel.

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