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Demokrat. Pavel Kohout.

© H. Schmidt/dpa

Dramatiker Pavel Kohout wird 90: Der Freigeist von Prag

Pavel Kohout ist passionierter Bürgerrechtler, Ex-Kommunist und einer der meistgespieltesten Dramatiker Tschechiens. Heute wird er 90 Jahre alt. Eine Gratulation.

Ob Pavel Kohout 1967 geahnt hat, dass sich der Titel seines Theaterstücks „August August, August“ als prophetisch erweisen würde? „Zirkusvorstellung mit Pause“ ist der Untertitel des absurden Dramas, eine Parabel über die Konfrontation der Phantasie, vertreten durch den Clown August August, der acht Lipizzaner dressieren will, mit der Macht in Gestalt des Zirkusdirektors. Dessen Credo lautet „ein Traum soll Traum bleiben“. Das Stück wurde am 12. Mai 1967 in Kohouts Heimatstadt Prag uraufgeführt, als der nach ihr benannte Frühling in voller Blüte stand, bis er am 21. August 1968 von sowjetischen Panzern niedergewalzt wurde.

Der Clown wird mit seiner Familie in einen Käfig gesperrt und verschwindet spurlos, nachdem im Hintergrund das Brüllen von Raubkatzen zu hören war. Es scheint, als habe der Dramatiker Pavel Kohout, der neben Václav Havel und Ota Filip der prominenteste tschechische Bürgerrechtler ist, sein eigenes Schicksal vorgezeichnet. Er wurde mit Publikationsverbot belegt, seine Bücher verschwanden aus den Bibliotheken, und die Stücke des zuvor meistgespielten Dramatikers der CSSR wurden nicht mehr aufgeführt.

Die tschechisch-deutsche Aussöhnung ist ihm eine Herzensangelegenheit

Dabei war Kohout, dessen Vater sich aktiv am Attentat auf den NS-Kriegsverbrecher Reinhard Heydrich beteiligt hatte, bereits 1945 als 17-jähriger in die Kommunistische Partei eingetreten. Er studierte an der philologischen Fakultät der Prager Karls-Universität und arbeitete ab 1956 als Rundfunkredakteur. Der überzeugte Anhänger eines „Sozialismus mit menschlichem Gesicht“ war Mitinitiator von Ludvig Vaculiks „Botschaft der 2000 Worte“ an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der CSSR und verlas diesen Aufruf im Fernsehen.

„Weglaufen wäre eigentlich auch eine Art Selbstmord, zumindest für einen Schriftsteller“, sagte Kohout im Rückblick auf die langen Jahre als Dissident, der im Land blieb und sich nie mundtot machen ließ. Als er die „Charta 77“ unterzeichnet hatte, verschlimmerten sich die staatlichen Schikanen. 1978 erhielt er ein befristetes Auslandsvisum und zog mit seiner Frau nach Wien, wo er als als Dramaturg am Burgtheater arbeitete.

Seit 1980 ist Kohout österreichischer Staatsbürger; erst während der Samtenen Revolution Ende 1989 kehrte er nach Prag zurück. In seinen Memoiren „Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel“ zeichnet Kohout noch einmal die Wandlung vom Jungkommunisten zum freiheitsliebenden Demokraten nach. Zuletzt erschien von ihm 2015 mit „Tango mortale“ ein veritabler böhmisch-italienischer Krimi um eine frühere Primaballerina, die sich an ihrer Familie rächen will. Ein Herzensanliegen ist Kohout seit jeher die tschechisch-deutsche Aussöhnung, die er unter anderem als Organisator des „Prager Theaterfestivals deutscher Sprache“ vorangetrieben hat. Am Freitag feiert der unbeugsame Freigeist in Prag seinen 90. Geburtstag.

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