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Kultur: Drei Groschen für ein Halleluja

Bertolt Brecht und das Kino: eine Reihe im Berliner Literaturforum

Die Begegnung zwischen Brecht und dem Kino stand nicht unter dem günstigsten Stern. Sein bekanntester Film „Kuhle Wampe“ musste sich 1932 erst gegen ein Verbot durchsetzen. Wegen der „schamlosen Verschandelung“ der „Dreigroschenoper“ in der Verfilmung durch Georg Wilhelm Papst war Brecht kurz zuvor in den berühmten „Dreigroschenprozess“ gezogen. Die gemeinsam mit Fritz Lang entworfene Hollywood-Produktion „Henker sterben auch“ wurde immerhin ein Klassiker des Antinazifilms. Doch über Urheberstreitigkeiten ging schließlich die Beziehung mit dem Regisseur in die Brüche.

Vom 16. bis 23. Februar diskutieren bei den Brecht-Tagen im Berliner Literaturforum nun Theater- und Literaturwissenschaftler mit Filmemachern über die Aktualität der Brechtschen Film-Ästhetik. Ein Rahmenprogramm zeigt im Filmkunsthaus Babylon Produktionen, die Brechts Stoffen oder seiner künstlerischen Methode wichtige Anregungen verdanken. Im Eröffnungsvortrag des Filmkritikers Georg Seeßlen „Brecht ± Film“ steht das „plus minus“ für die gleichzeitige Nähe und Distanz, die Brechts Arbeit mit dem Medium kennzeichnete. Immer bestrebt, Neuerungen wie das Radio zu integrieren, hat Brecht sich sogar als „filmesehenden Erzähler“ begriffen. Dennoch ist er im kalifornischen Exil bekanntlich nie glücklich geworden, und das obwohl er bereit war, hemmungslos hinter die eigenen künstlerischen Standards zurückzufallen.

Den Auftakt der Filmreihe macht Volker Schlöndorffs „Baal“ (1969) mit Rainer Werner Fassbinder in der Hauptrolle. Weil Helene Weigel den Film abgelehnt hatte, ist er bis heute äußerst selten zu sehen. Schlöndorff selbst wird zur Einführung sprechen. Von Brechts Ausstrahlung auf andere Filmemacher zeugen auch Fassbinders „Mutter Küsters Fahrt zum Himmel“ (1975), Godards „Die Geschichte der Nana S.“ (1962) oder Filmessays von Harun Farocki. Einen Höhepunkt dürfte das „Fatzer“-Projekt der Theatergruppe „Scènes“ aus Lyon bilden. Heiner Müller hatte das ausufernde Material zum nie beendeten „Fatzer“-Stück Brechts „größten Entwurf und einzigen Text“ genannt, in dem er sich „die Freiheit des Experiments herausnahm, Freiheit vom Zwang zur Vollendung.“ Regisseur und Hauptdarsteller Philippe Vincent begradigt das Fragment nicht, sondern schreibt die Brecht-Ästhetik fort. Drei Jahre lang hat er eigene „Fatzer“-Aufführungen mitgeschnitten und nun aus 20 Stunden Material einen knapp zweistündigen Film komponiert. Dabei gehörten die Dreharbeiten ebenso zur Bühnenperformance wie das Theaterpublikum zum Film – die Medien schauen einander bei der Arbeit zu. Am Tag nach der Deutschland-Premiere des Films wird Vincent mit dem Soziologen Wolfgang Engler und dem Filmwissenschaftler Lothar Schwab diskutieren. Neue Erkenntnisse verspricht auch Irène Bonnaud. Die französische Theaterwissenschaftlerin hat im Nachlass von Fritz Lang das Idealskript von „Henker sterben auch“ entdeckt. Es belegt, dass der fertige Film, von dem Brecht sich ausdrücklich distanzierte, verblüffende Ähnlichkeiten mit der ersten Fassung aus der Feder des Meisters aufweist. Steffen Richter

Weitere Informationen im Netz unter www.lfbrecht.de

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