
© Salon du dessin / Galerie Zlotowski
Pariser Grafikmesse Salon du dessin: Ein Fest der roten Punkte
Die Pariser Grafikmesse Salon du dessin vertraut auf die Anziehungskraft von Spitzenstücken – und auf ihre treuen Sammler.
Stand:
Links vom Eingang lockt die Koje von Martin Moeller aus Hamburg, rechts diejenige von Wienerroither & Kohlbacher aus Wien: So macht die Leitung des Salon du dessin deutlich, dass diese den grafischen Künsten vorbehaltene Pariser Messe international ausgerichtet ist. Wenngleich die in Paris ansässigen Händler naturgemäß ihren Heimvorteil genießen, trägt die Messedirektion seit jeher dafür Sorge, dass jede Galerie hier nach gleichen Kriterien bewertet wird. Denn es sind lediglich 39 Kojen zu vergeben – mehr passen in die nobel-zurückhaltende Architektur des Palais Brongniart, der Alten Börse von Paris, nicht hinein.
Von Treue und Anhänglichkeit spricht denn auch Messechef Louis de Bayser. Die Gäste am Eröffnungsnachmittag begrüßen sich als alte Bekannte. Flugs werden erste rote Punkte geklebt, auffällig mehr als in den zurückliegenden Jahren. So geht die der pittura metafisica zuzurechnende aquarellierte Federzeichnung von Mario Sironi, „Das Ei und das Messer“ von 1920/21, bei Pandora (Paris) unter den Augen des Rezensenten an einen Sammler. Den hat bei Eric Gillis aus Brüssel auch Jean-Baptiste Isabeys Porträt eines Protagonisten der Französischen Revolution gefunden, ein fein ausgearbeitetes Blatt von 1790. Ein Jahrhundert jünger ist die großformatige „Bäuerin aus Nemours“, die der notorisch unterschätzte Bernard Boutet de Monvel 1897 in Blei, Tinte und Aquarell angelegt hat. Auch sie fand zu einem ungenannten Preis ihren Liebhaber.
Von der Spätgotik bis in die Gegenwart
Der Salon ist, grob gesagt, für alle Epochen offen, von der Spätgotik bis in die Gegenwart; der Schwerpunkt wird jedoch immer im französischen 19. und danach im 18. Jahrhundert liegen. Es muss allerdings zu denken geben, dass selbst die – jedoch herausragende – Zeichnung Van Goghs „Hinterhof mit drei Figuren“ erneut von Cuellar Nathan aus Zürich angeboten wird, bei allerdings 1,3 Millionen Euro vielleicht doch nicht verwunderlich. Gleich daneben ist eine Armstudie (um 1610) von Peter Paul Rubens platziert, die mit 520 000 Euro gleichfalls nur etwas für Sammler mit ganz tiefen Taschen ist. Die braucht auch, wer bei Arnoldi-Livie aus München das leuchtfarbige Aquarell der „Sonnenblumen“ (um 1930) von Emil Nolde für 270 000 Euro erwerben will. Und erst recht, wer bei der genannten Wiener Galerie die hoch gepriesenen Künstler der Wiener Moderne begehrt: 250 000 Euro werden für eine Porträtzeichnung von Gustav Klimt genannt, während Egon Schieles ausdrucksstarke Gouache einer „Jungen Frau, die Hände vors Gesicht schlagend“ von 1911 mit rekordträchtigen 1,7 Millionen Euro bewertet wird.
Für 600 000 Euro ist nebenan bei de Bayser aus Paris ein bildmäßig ausgeführtes Selbstporträt von Charles-Antoine Coypel (um 1730) zu finden. Dieser letzte Sprössling einer bei Hofe hoch angesehenen Künstlerdynastie arbeitete in der im Rokoko so beliebten Pastellkreide.
Der klassische Grafikliebhaber allerdings sammelt im mittleren Segment. Und wird bei Martin Moeller mehr als fündig, jedenfalls wenn er Menzel-Fan ist: Gleich 13 Blätter des unendlich fleißigen Preußen bilden ein Ensemble zu Preisen zwischen 26 000 und 58 000 Euro. Darunter ist die hinreißend beobachtete Ansicht zweier Hände, ein Gebetbuch haltend, monogrammiert 1890 und womöglich ein Geschenk, wie es die „kleine“, in Wahrheit riesengroße Exzellenz geschätzten Besuchern mitgab.
Deutsche Zeichnungen sind Mangelware
Deutsche Zeichnungen sind ansonsten Mangelware. Der Interessent muss schon genau hinschauen, um bei Talabardon & Gautier (Paris) Eduard Gaertners Bleistiftzeichnung der Pariser Kathedrale Notre-Dame von 1825 zu entdecken (32 500 Euro). Bei Jill Newhouse aus New York ist eine Bleistiftzeichnung des Landschafters Charles-François Daubigny zu sehen, die die Seine-Insel mit Notre-Dame um 1845 zeigt und mit lediglich 10 000 Euro angezeigt wird. Tatsächlich eine Landschaft, postkartengroß, wird bei Nathalie Motte (Paris) angeboten: vom großen Eugène Delacroix, ein wild bewegtes Aquarell für 25 000 Euro. Die klassische Moderne ist stark vertreten, es gibt großformatige Arbeiten von Sonia Delaunay aus den 1950ern (Galerie de la Présidence), es gibt André Lurçat, Juan Gris, César Domela bei Rosenberg & Co., lauter Belgier – so eigentümlich, wie sie nun einmal sind, etwa Léon Spillaert – bei Lancz aus Brüssel, und es gibt ein großes Porträt in Bleistift und Aquarell von Francis Picabia aus seiner (gewollten) Kitschphase um 1940, sodass die Deutung als Bildnis der damals gefeierten Hollywood-Aktrice Hedy Lamarr einleuchtet; 135 000 Euro sind allerdings auch ein stolzer Preis.
Noch stolzer ist der für ein kleinformatiges Blatt von Yves Klein, „Monochrome bleu“ von 1959, das bei Zlotowski mit 310 000 Euro bewertet wird. Was demzufolge ein großer Klein kosten muss, mag man sich gar nicht vorstellen. Man geht sinnend davon und findet Trost in des Plakatkünstlers Théophile-Alexandre Steinlen Kohlezeichnung zweier schlafender Katzen von 1921 (bei Paul Prouté). Allerliebst – und auch schon verkauft. Dieser Salon, das steht bereits fest, wird ein Erfolg.
Salon du dessin, Palais Brongniart, Paris, bis 1. April, www.salondudessin.com
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