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Ein Hauch von Schmerz: Zum Tod der Sängerin Françoise Hardy
Sie war Frankreichs Popikone Nummer eins – und auch in Deutschland ein Star. Mit ihr geht ein Zeitalter.
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Schmerz und Einsamkeit waren ihren Liedern von Anfang an eingewebt, und im Beschwören eines ewig gebrochenen Glücks lag Françoise Hardys Wahrhaftigkeit. Schon in ihrem ersten großen Hit „Tous les garçons et les filles“ aus dem Jahr 1962 sang sie mit bittersüßer Innigkeit davon, wie sie sich inmitten von Händchen haltenden Pärchen ihres Alters nach der großen Liebe verzehrte.

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Ein Fernsehauftritt mit dem im Sechsachteltakt dahinschaukelnden Song, der eigentlich nur die B-Seite ihrer Single „Oh oh chéri“ bildete, traf den Nerv des Publikums. Da war Mademoiselle Hardy, wie man sie gerne nannte, gerade einmal 18 Jahre alt. Fünf Jahre später, auf dem Weg zum gar nicht mehr so mädchenhaften, auch in Deutschland verehrten europäischen Star, verkündete sie mit den Worten von Georges Brassens bereits, dass es mit der Erfüllung einer solchen Sehnsucht auch so eine Sache sei: „Il n’y a pas d’amour heureux“. Und Serge Gainsbourg legte ihr eine Anleitung zur schweren Kunst des Abschiednehmens in den Mund: „Comment te dire adieu“.

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Françoise Hardy war nach den großen französischen Chansonnières des 20. Jahrhunderts die erste Ikone der aufkommenden Popkultur. Auf diesem Gebiet ist sie trotz massiver Konkurrenz bis heute die unangefochtene Nummer eins geblieben. Dabei hat sie über die Jahrzehnte alle musikalischen Phasen vom mit Streichern und Bläsern erstaunlich geschmackvoll eingehüllten Schlager mit Rockabilly-Hauch bis zur tragischen, klangmächtig aufgeblähten Ballade durchlaufen.
Sentimentalität war ihr nicht fremd, offener Kitsch sehr wohl. Über allem schwebte ihre unverwechselbar luftige Stimme, mit der sie ohne den geringsten nachträglichen Studiozauber jeden Ton traf.

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Hardy wandelte früh auf eigenen Wegen. Sie wollte nie bloß ausführendes Organ fremder Kräfte sein: Sie, die mit 16 Jahren zum ersten Mal eine Gitarre angefasst und nur eine rudimentäre musikalische Ausbildung durchlaufen hatte, schrieb ihre Lieder mehr und mehr selbst. Und obwohl sie ihre scheue, trotzige Schönheit nicht ungern herzeigte, so widersetzte sie sich doch der Aufgabe, als reine Projektionsfigur zu dienen. Hinter der Makellosigkeit, die sie ausstrahlte und die zahlreiche Modeschöpfer anzog, steckte ein gutes Stück Lebenserfahrung, die man ihren Liedern anhörte.
Dazu gehörten die zwanzig Jahre mit Jacques Dutronc, dem Sänger, den sie bis zuletzt als Mann ihres Lebens bezeichnete, auch wenn sich die beiden in den 1990er-Jahren trennten. Der 1973 geborene Sohn Thomas Dutronc, auch er Musiker, blieb nur das offensichtlichste Bindeglied.
Der krankheitsbedingte Abstieg, der nach dem Comeback mit „Clair-obscur“ mit einer Krebsdiagnose 2004 einsetzte, verlief so langwierig, wie der Aufstieg schnell gekommen war. Françoise Hardy rang ihm zwar noch einige Aufnahmen ab, wich aber aufs Schreiben von Büchern aus und machte im vergangenen Jahr noch einmal Schlagzeilen, als sie an Präsident Macron appellierte, die Tötung auf Verlangen gesetzlich zu erlauben. Am Dienstag ist sie mit 80 Jahren in Paris gestorben.
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