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Humboldt-Forum: "Ein Projekt für die nächsten Jahrzehnte"

Bernd Scherer, Intendant am Haus der Kulturen der Welt über die Pläne fürs Humboldt-Forum.

Herr Scherer, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stellt ihre Pläne zum Humboldt-Forum in einer Ausstellung im Alten Museum vor. Die sogenannte Agora ist dabei die große Leerstelle. Sie sind als Leiter des Hauses der Kulturen der Welt als Partner für diesen Bereich im Gespräch. Wo sehen Sie die Agora im Schloss?

Ich würde die Agora nicht territorial auf einen bestimmten Bereich im Gebäude begrenzen. Auch im Museum muss es Räume geben, die als Agora bespielt werden. Es geht um die zeitgenössische Annäherung an Fragen, die im HumboldtForum gestellt werden. Bislang ist das in der architektonischen Planung noch nicht richtig berücksichtigt. Das ist jetzt keine Kritik am Architekten. Es war einfach bislang nicht klar, was er überhaupt planen und entwerfen soll.

Ist es nicht verwunderlich, dass so eine Riesenbauaufgabe ausgeschrieben und geplant wird, ohne dass über entscheidende Inhalte Klarheit besteht?

Die Museen sind, in Zusammenarbeit mit dem Architekten, ja schon dabei, das wird man in der Ausstellung sehen. Was die Agora betrifft: Die Politik wird demnächst eine grundsätzliche Entscheidung fällen. Denn wenn das Projekt gut werden soll, muss nächstes Jahr unbedingt die konzeptionelle Arbeit beginnen.

Einige fordern, das ganze Haus müsse eine einzige Agora werden. Andererseits weist manches bislang eher auf ein reines Veranstaltungsforum hin, wie es jedes moderne Museum inzwischen hat, mit Cafés, Diskussionssälen und Buchläden. Wird das Haus nun ein Museum oder ein Veranstaltungszentrum für Gegenwartsfragen?

Wenn die Agora als reiner Veranstaltungsort betrieben würde, wo ein Kulturveranstalter Konzerte einkauft, würde man eine große Chance verspielen. Ich bin mir auch sicher, dass keiner der Verantwortlichen das will. Aber nur Museum geht auch nicht. Das Humboldt-Forum darf an der Stelle, an der es gebaut wird, am Berliner Schlossplatz, kein rückwärtsgewandtes Projekt werden. Es muss eine Institution sein, die sich heute mit der Welt und der Rolle Deutschlands in dieser Welt auseinandersetzt.

Nun ist der Hauptnutzer aber ein Museumskomplex mit historischen Sammlungen. Was für Gegenwartsfragen können denn anhand der Objekte gestellt werden?

Die Objekte repräsentieren einen Teil der deutschen Geschichte mit der nichteuropäischen Welt, zu der gehört auch der Kolonialismus. In den letzten zwanzig, dreißig Jahren ist zu diesem Thema viel geforscht worden, so dass diese Geschichte aus heutiger Sicht interpretiert werden müsste. Jede Gegenwart definiert ihre Geschichte neu und damit auch sich selbst.

Das alles klingt doch sehr objektbezogen. Wo bleiben Tanz, Theater, Film?

Die Objekte kommen ja oft aus performativen Zusammenhängen, da ist es nur natürlich, dass auch Performances einbezogen werden, sei es aus dem Kunst- oder aus dem Theater-/Tanzbereich. Gerade in der zeitgenössischen Kunst gibt es starke Strömungen in diese Richtung.

Sie sind am Haus der Kulturen der Welt viel mit außereuropäischen Kulturen befasst. Was kann das Humboldt-Forum, was Sie nicht längst schon tun?

Das Humboldt-Forum hat Ressourcen, über die wir nicht verfügen. Zunächst gibt es diese Riesensammlung von Objekten, die noch nicht systematisch in einem zeitgenössischen Kontext aufgearbeitet wurden. Es ist eine einmalige Chance zu zeigen, was man mit so einer Sammlung heute machen kann. Im westlichen Bewusstsein ist ja nicht klar, welche Bedeutung diese Themen haben können.

Das erklärt wahrscheinlich auch die nicht unbedingt große Begeisterung in der Öffentlichkeit, wenn es um inhaltliche Fragen des Humboldt-Forums geht.

In der klassischen Kulturelite unseres Landes ist zum Teil immer noch nicht klar, was die internationalen Beziehungen und Entwicklungen für uns bedeuten. Es geht nicht darum, einfach nur fremde Kulturen vorzustellen. Man muss klarmachen, dass unsere eigene Gesellschaft nur in diesem internationalen Kontext zu verstehen ist. Für viele Menschen, die als Migranten nach Berlin gekommen sind, erzählen diese Objekte auch einen Teil ihrer Geschichte. Diese Erzählungen bereichern diese Stadt, die sich zunehmend kosmopolitisch versteht. Es gibt einen Großteil der Gesellschaft, der das noch nicht verstanden hat.

Sind die Beteiligten überhaupt in der Lage, einen völlig neuen Blick auf ihre Schätze zu entwickeln? Ist das noch der Blick eines Museumsmanns?

Man darf das Humboldt-Forum nicht als Projekt sehen, das 2015, wenn die Tore geöffnet werden, fertig und abgeschlossen ist. Für mich ist das ein geistiges Projekt für die nächsten Jahrzehnte. Ich denke, wir stellen momentan die richtigen Fragen, aber es muss noch viel an substanzieller Forschung und öffentlicher Diskussion geleistet werden.

Es gibt allerdings noch das Problem, dass sowohl die Sammlungen als auch das jetzige Projekt von einem europäischen Blick auf die Welt geprägt sind. Es gab deshalb schon den Vorwurf des Neokolonialismus. Wie kommt man aus dieser Falle heraus?

Was den eurozentrischen Blick angeht: Wir haben heute die Chance, solche Projekte in internationalen Teams zu entwickeln. Man muss, bevor das HumboldtForum eröffnet, weltweit Experten finden, mit denen man zusammenarbeitet. Dann haben die Objekte die Bedeutung, die sie heute haben sollen, nämlich Zeugnisse eines Kulturaustauschs zu sein, der die Spuren der Geschichte offenlegt.

Sie haben beim Hauses der Kulturen der Welt viel mit internationalen Künstlern zu tun. Wie groß ist denn das Interesse außerhalb Deutschlands am Humboldt-Projekt?

Das Interesse ist ausgesprochen groß. Aber noch größer ist das Interesse an Zusammenarbeit und Mitwirkung.

Das Gespräch führt Christina Tilmann.

BERND SCHERER, Jahrgang 1955, ist seit 2006 Intendant am Haus der Kulturen der Welt in Berlin.

Zuvor war er für

das Goethe-Institut

in Mexiko-City

und München.

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