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Alte Liebe, neue Fremdheit.Anna (Marie Bäumer) und Georg (Sylvester Groth).

©  X-Verleih

Kino-Thriller "Zum Geburtstag": Ein Teufelspakt fürs Leben

Lüge, Intrige, Rache: Denis Dercourts mysteriöser Thriller „Zum Geburtstag“ - mit Marie Bäumer, Mark Waschke und Sylvester Groth - erzählt, wie eine Jugendsünde sich in ein Erwachsenenverbrechen verwandelt.

Also: Musik. In einem seiner früheren Leben war der Regisseur mal Solobratschist am Orchestre Symphonique Français, und er lehrt noch heute Kammermusik am Straßburger Konservatorium. In seinen früheren Filmen ging es auch oft um Musiker, etwa um eine Pianistin in „Das Mädchen, das die Seiten umblättert“ (2006). Den Filmkomponisten Jérôme Lemonnier hat er bereits zum fünften Mal verpflichtet, und sogar das Drehbuchschreiben vergleicht er mit einer Komposition: „Ich brauche einen Kontrapunkt, Auflösungen, Tempiwechsel …“

Sollte man „Zum Geburtstag“, den siebenten Film des 48-Jährigen, seit ein paar Jahren überwiegend in Berlin lebenden Franzosen Denis Dercourt, folglich eher hören als sehen?

In gewisser Weise mag das passen. Am wenigsten noch wegen der eher konventionell für Klavier und Streicher angefertigten Slow-Suspense-Thriller-Tonspur. Sondern vor allem wegen des eigentümlichen Rhythmus, der die Protagonisten zum fühlbar verlangsamten Aufsagen ihrer Zeilen zwingt. Und weil der so sanfte wie unbeugsame Wille ihres Dirigenten sie stets zu sparsamem Spiel nötigt, stehen sie dann meist wie entkörperlicht voreinander, so wenig Bewegung oder Berührung ist ihnen gestattet. Gedämpft auch klingen in „Zum Geburtstag“ Rückblenden und Gegenwart ineinander, alles badet in einem durchaus nicht reizlosen, sich an der eigenen Manier erquickenden Märchenton.

Eine Lüge, eine Intrige, eine Rache: Derart programmmusikalisch ließen sich, allesamt im Largo ostinato gehalten, die Sätze dieser filmischen Sinfonie überschreiben. Die Lüge geschieht zu einstigen DDR-Zeiten an einem ostdeutschen Badesee: Oberschüler Paul ist unglücklich verliebt in Mitschülerin Anna, fälscht einen Liebesbrief, damit Schulkamerad Georg seine Anna freigibt – und tatsächlich, der Partnerwechsel geschieht, sofort und allerseits ohne Mühe. Georgs einzige Bedingung: Paul muss Anna zurückgeben irgendwann, „dieselbe oder so ähnlich wie möglich“, aber was zählt ein solcher Jungenspakt schon im späteren Leben? Drei Jahrzehnte später, der erfolgreiche Banker Paul und die Biologin Anna haben im neuen Deutschland längst selber zwei halbwüchsige Kinder, tritt Georg plötzlich wieder in beider Leben, noch dazu als Pauls Chef. Und hat, wie sich bald erweist, ganz und gar nichts vergessen.

Ausgesucht träge taktet sich die Geschichte voran, vor der Glaubwürdigkeitsfalle meist elegant ins Mysteriöse ausbüxend, und kurz vor Schluss lockt sie denn doch mit einer hübschen Volte. Wer, bitte, ist der Teufel in diesem Pakt, und wer spielt das arme Fäustchen, in das sich der Teufel lacht? Sylvester Groth (als Georg), Marie Bäumer (Anna) und Mark Waschke (Paul) geben dem Geschehen zurückhaltend Würze, Saskia Rosendahl (als Töchterchen) bürgt für den Liebreiz, hinzu kommen die Österreicher Johannes Zeiler und Sophie Rois, zuständig für zwei bedeutsame Nebenfiguren. Leider sorgen sie für Dissonanzen der unbeabsichtigten Art: Nicht nur, dass ihr Timbre für zwei ins Gesamtdeutschland hinausgewachsene Ostdeutsche seltsam tönt, Rois übersteuert zudem jedwede subtil angelegte Absurdität ins grob Groteske.

Ende der Konzertkritik. Nun könnte die Filmkritik beginnen. Aber die Zugabe fällt heute mal aus. Jan Schulz-Ojala

Cinemaxx, FT Friedrichshain, Kant,

Kulturbrauerei, Passage

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