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Enoch zu Guttenberg dirigiert 2010 eine Requiem-Messe von Giuseppe Verdi zu Ehren des Papstes.

© dpa

Enoch zu Guttenberg gestorben: Rebell mit Bodenhaftung

Seine Kunst zielte stets aufs Herz: zum Tod des Dirigenten Enoch zu Guttenberg.

Er hätte es einfach haben können. Hineingeboren in eine schwerreiche, von Geltungsanspruch geprägte Familie, erwartete man von Enoch zu Guttenberg, dass er Politiker werden sollte – wie sein Vater und später dann sein Sohn Karl-Theodor. Doch früh zeigte sich der Hauptwesenszug des Mannes, den sein Umfeld nur „den Baron“ nannte: Widerspruchsgeist und das Ringen um einen ethisch fundierten Furor. So schlug Guttenberg aus der Art und beschloss, Musiker zu werden.

Dorfensemble auf Weltniveau

Mit 21 Jahren übernahm er 1967 die Chorgemeinschaft Neubeuern und entwickelte das Dorfensemble zu einem Klangkörper, der Bachs Passionen, Haydns Oratorien oder Verdis Requiem mit bewegender Bodenständigkeit singt – mit einer Emotionalität, die aus Vertrautheit erwächst. 50 Jahre haben die Chorgemeinschaft und Guttenberg zusammen Musik zum Leben erweckt, sein Orchester, die „Klangverwaltung“, führte er über 20 Jahre lang. Der sperrige Name soll daran erinnern, dass die Musikerinnen und Musiker sich als Treuhänder der Musik verstehen. Guttenberg vereinte sie in einem gestischen Musizieren, das aufs Herz zielt, auf unser Menschsein.

Engagement für Umweltschutz

Weder auf dem Podium noch im Leben ergab sich Guttenberg widerstandslos der Harmonie. Als Besitzer großer Ländereien engagierte er sich früh für den Naturschutz und gründete den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit. Das hielt ihn nicht davon ab, unter Protest wieder auszutreten, weil er den Vorstand wegen seiner Unterstützung der Windkraft für käuflich hielt. Auch aus der CSU trat der Dirigent zeitweilig aus, weil sich Ministerpräsident Streibl geweigert hatte, an einer Demonstration gegen Antisemitismus teilzunehmen. In diesem Jahr gab Guttenberg seinen Echo-Preis zurück, obwohl es ihm viel bedeutet hat, dass die Klangverwaltung und nicht die Berliner Philharmoniker für ihre Bruckner-Aufnahme ausgezeichnet worden waren. Auch sein Sommerfestival auf Schloss Herrenchiemsee erschöpfte sich nie in der Idylle des Ortes, sondern suchte zwischen Alphornklang und Wasserspielen nach der Spannung, nach dem Schattenwurf des Lebens.

Silberhaupt mit Bart

Zuletzt erschien der dirigierende Baronmit wildem Silberhaupt und Bart am Pult. Was man Guttenberg nie direkt ansehen konnte, seine Leidenschaft für das Ungeglättete, fiel nun als Erstes ins Auge. Altersmilde wäre er nie geworden. Am 30. Juni wollte der Dirigent das Klimakonzert der Staatskapelle Berlin leiten und moderieren: Haydns „Schöpfung“, mit seiner Chorgemeinschaft Neubeuern. Er hätte auf unser Herz gezielt, und er hätte getroffen. Doch am Freitag ist Enoch zu Guttenberg im Alter von 71 Jahren überraschend gestorben.

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