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Die Wiener Autorin Raphaela Edelbauer ist die einzige österreichische Teilnehmerin im diesjährigen Wettbewerb.

© Victoria Herbig/dpa

Erster Tag Bachmann-Preis: Der Text stottert noch

Klagenfurt zeigt sich bewölkt: Die Texte am ersten Tag der Verleihung des Bachmann-Preises sind versiert, aber etwas zu brav.

Es ist kurz nach zehn an diesem sonnigen Donnerstagmorgen in Klagenfurt, und sofort befindet man sich in einer seltsamen Zeitschleife: Lag ein ganzes Jahr zwischen der Verleihung des Bachmann-Preises 2017 an den Theaterautor Ferdinand Schmalz und der ersten 2018er-Lesung der österreichischen Autorin Raphaela Edelbauer? Diese liest, wie leider zu oft hier gelesen wird, ausdruckslos, steif, ohne Auf und Abs; eine Erzählung über einen sogenannten Auffüllungstechniker, der das Loch in einem Berg einspritzen und abdichten soll, über eine Art Homo Faber, der sich vor allem für die technische Machbarkeit der Dinge interessiert.
Und die Jury steigt gleich in medias res, zuerst in Person der Neujurorin Insa Wilke, die so souverän und selbstbewusst wirkt, als sei sie schon Jahre dabei. Die Jury moniert die Statik des Textes, stofflich, sprachlich, erinnert daran, auf welche literarische Tradition Edelbauer rekurriert – Hans Lebert, den leider kaum noch jemand kennt, sowie Hermann Burger und sein Roman „Die künstliche Mutter“, der aber nicht genannt wird. Sie gibt zu, dass dies kein „Frühstückstext für zehn Uhr“ sei, wie Klaus Kastberger sich für seine Autorin in die Bresche wirft.
Same procedure as every year, also. Trotz erschöpfender Diskussionen bleibt manche formale Besonderheit unerwähnt. Etwa bei der Schweizerin Martina Clavadetscher, die ihren sprachlich versierten, aber braven Text, aus der Perspektive einer toten alten Frau erzählt: geschrieben wie ein Langgedicht, aber eben nicht so gelesen.

White-Trash-Junge verehrt afrikanischen Freiheitskämpfer

Nur hat die Jury, anders als das Publikum und die Kritiker im ORF-Studio, die Texte ja vier-, fünfmal gelesen, um sie erschöpfend hin- und herwenden und analysieren, manchmal eben auch: überanalysieren zu können. Um dann aber häufig lang und breit nachzuerzählen, was alle gerade selbst gehört haben. “Ich habe keinen Grund gefunden, warum mich das alles interessieren soll“, erregt sich Kastberger über Anna Sterns rätselhafte Erzählung von einer jungen Frau, die im Koma liegt, mutmaßlich mit einem Flugzeug abgestürzt ist und nun von sechs Personen an ihrem Krankenbett besucht wird.
Kastberger verweist damit, wohl ungewollt, auf das Grundproblem des Eröffnungstages. Kein Text springt auf Anhieb an, überzeugt gar. Das Kontrastprogramm zu Feridun Zaimoglus kämpferischer Eröffnungsrede: Unsere Gegenwart, die politische zumal, bleiben außen vor, mit Ausnahme einiger schöner popkultureller, generationsspezifischer Anmutungen in dem Text des 1989 geborene Joshua Groß. Selbst Stephan Lohses sorgfältig gearbeitete und dabei durchaus lässige Adoleszenz-Erzählung tut das nicht. Denn: Warum erkürt ein White-Trash-Junge ausgerechnet Patrice Lumumba zu seinem Helden, den ersten demokratisch gewählten Ministerpräsidenten des Kongo, der 1961 ermordet wurde? So bleibt der Eindruck nach dem ersten Drittel des diesjährigen Wettbewerbs diffus. Ganz ordentlich, aber kein Siegertext. So wie das Wetter im Verlauf des Tages: Sonne, Wolken, Gewitter, Wischiwaschi – und trotzdem annehmbar.

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