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Schau genau. Kanzleramtschef Helge Braun 2019 bei der Vorstellung der geplanten Neubaus, für den der Bund laut Rechnungshof als „nüchternen Zweckbau“ warb. Dabei explodieren die Kosten.

© dpa

Erweiterung des Kanzleramts: Die Pläne sind völlig aus der Zeit gefallen

Teuer, massive Betonwand, klimafeindlich: Das erweiterte Kanzleramt wird ein stadtfeindlicher Hochsicherheitstrakt. Da hilft eigentlich nur: neu planen!

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Freunde hatten uns darauf hingewiesen: Seht Euch doch mal die Gegend rund um das Kanzleramt an. Nicht die Schaufront hin zum Reichstag, sondern die Rückseite. Da, wo in Moabit – die ersten Rodungen haben begonnen – das Kanzleramt nach einem Plan von 1993 erweitert werden soll. Ein hochumstrittenes Projekt, das inzwischen auf 777 Millionen Euro kalkuliert ist. Also etwa 27 000 Euro pro Quadratmeter. Selbst wenn wir zu den etwa 400 Büros den Hubschrauberplatz auf dem Dach mitrechnen, den Verbindungstunnel, die Kita, die zweite Verbindungsbrücke zum bestehenden Kanzleramt, ist die Summe nicht nur der Krisenzeit wegen exorbitant.

Aber wir wollten ja erfahren: Welchen künstlerischen, baukulturellen, stadtästhetischen Beitrag wird diese Kanzleramtserweiterung an der Ingeborg-Drewitz-Allee für die Stadt leisten? Kurz gesagt: Keinen. Ganz im Gegenteil: Wie das daneben stehende Bundesinnenministerium mit seinen panzerbrechenden Metallzäunen wird auch das Kanzleramt ein maximal stadtfeindlicher Hochsicherheitstrakt. Durch die strenge, halbrunde Geometrie – Arsch nach Moabit, sagte mein Begleiter – entstehen große städtische Resträume, die aus Sicherheitsgründen nie bebaut werden dürften.

Weinbewuchs soll die Überwachungskameras verdecken

Über einer etwa fünf bis sechs Meter hohen, fast ganz geschlossenen Betonwand sollen sich luftige Obergeschosse erheben. Wo sind der Burggraben, wo die Zinnen für die Wachleute? Viel romantischer Weinbewuchs soll an der Betonwand die vielen Kameras verdecken.

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Gebaut wird hier aus urheberrechtlichen Gründen nach Plänen des Büros von Axel Schultes und Charlotte Frank, die auf das Jahr 1993 zurück gehen. Da wurde das Waldsterben noch als schlimmste anzunehmende, vom Menschen gemachte Umweltkatastrophe befürchtet.

Trotz der unzweifelhaften künstlerischen Eleganz auf den Präsentationsblättern erscheint das Projekt völlig aus der Zeit gefallen bis hin zur CO2-Produktion durch massiven Betonverbrauch. Wo sind neue Verwaltungskonzepte zu sehen, wo das Verflechten mit der Stadt, wo das ökologisch nachhaltige Bauen? Nicht mal Solardächer sind vorgesehen.

Gebaut wird also nicht wegen Modernität, sondern, weil das Projekt nun einmal im Staatshaushalt verankert ist. Vernünftig wären wie bei so manchem Bundesbau Baustopp und Neuplanung. Die Architekten können es zweifellos – aber der Bauherr muss es auch wollen.

Die zweite Brücke übrigens, so das Bundeskanzleramt, sei notwendig unter anderem für Posttransporte! Ich sehe die Aktendeckel rollen und höre das Kichern von volldigitalisierten Freunden aus Estland oder der Ukraine. Auch in dieser Hinsicht wird das neue Kanzleramt nach aktuellem Stand wohl sehr deutsch werden.

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