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Kultur: EU-Verfassung: Brüssel in Grenzen

Es ist die Zeit der Entflechtungskünstler. Die Ministerpräsidenten der Länder setzen in der gerade anlaufenden Kompetenzdebatte - europäisch wie national - auf mehr Klarheit bei den Zuständigkeiten.

Es ist die Zeit der Entflechtungskünstler. Die Ministerpräsidenten der Länder setzen in der gerade anlaufenden Kompetenzdebatte - europäisch wie national - auf mehr Klarheit bei den Zuständigkeiten. Die EU-Kommission in Brüssel soll weniger entscheiden und kontrollieren, jedenfalls im Detail, und auch gegenüber dem Bund wollen die Länder eigenständiger werden - vor allem die reichen, selbstbewussten im Süden und Westen der Republik. Der bayerische Regierungschef Edmund Stoiber begründet die fordernde Haltung der Länder gegenüber Brüssel damit, dass die europäische Integration wirtschaftlich einen Stand erreicht habe, der es nicht mehr nötig mache, möglichst viel in Brüssel zu regeln. Eine EU mit 27 Staaten - nach allen Erweiterungsrunden - lässt sich nach Stoibers Ansicht nicht zentral regieren, allenfalls auf Gebieten der Außen- und Sicherheitspolitik.

Wolfgang Clement, der Düsseldorfer SPD-Ministerpräsident, kann wie alle seine Kollegen eine ganze Palette von Streitpunkten zwischen EU und Ländern nennen. Zum Beispiel FFH. Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU ist in den Länderverwaltungen geradezu berüchtigt. 400 Behördensitzungen habe die Umsetzung dieser Richtlinie allein in Nordrhein-Westfalen gekostet, sagt Clement. Die FFH-Richtlinie besagt, dass die EU-Mitgliedstaaten einen Teil ihres Territoriums als Naturschutzgebiete ausweisen müssen. Die Vorgaben stammen aus Brüssel, die Ausführung ist in Deutschland Sache der Länder. Und die ließen sich Zeit damit. Denn Naturschutz liegt bisweilen mit wirtschaftlichen Interessen über Kreuz. Da nun Brüssel die Umsetzung kontrolliert, kam es zum Konflikt. Für Clement ist unbestritten, dass die FFH-Kriterien europaweit vorgegeben werden. Die Auswahl der Gebiete sollte jedoch alleine Sache der Regionen und Kommunen sein. Vor Ort könne besser entschieden werden, wo Ausnahmen nötig seien.

Die Strukturpolitik, also die direkte oder indirekte Subventionierung zur Wirtschaftsförderung, ist ein zweites Beispiel für die Position der Länder. Clement hält es für absurd, dass aus Nordrhein-Westfalen Geld via Berlin nach Brüssel in die Fördertöpfe fließt, wo es nach Brüsseler Kriterien (die meist auf Jahre hinaus festgelegt sind) wieder verteilt wird, wobei ein Teil der Mittel zurück nach NRW wandert. Clement ist der Ansicht, es wäre weniger bürokratisch, wenn über die Förderung aus NRW für NRW in Düsseldorf entschieden werde. Zudem könne seine Regierung flexibler auf die Situation im Land reagieren, weil sie näher dran sei. Seine Kollegen sehen das für ihre Länder nicht anders.

Ein dritter Punkt, bei dem EU und Länder aneinander geraten sind, betrifft das öffentlich-rechtliche Kreditwesen, also Sparkassen und Landesbanken. Deren Risiken werden im Gegensatz zu Privatbanken durch den Staat abgesichert, für Brüssel (das auf Beschwerden von Privatbanken hin aktiv wurde) ein wettbewerbsrechtliches Problem. Die Länder sehen das öffentliche Bankenwesen dagegen als Teil der "Daseinsvorsorge", unter anderem, weil es "unverzichtbarer Partner für mittelständische Unternehmen" ist, wie Stoiber sagt. Landes- und Kommunalpolitiker setzen die von ihnen kontrollierten Sparkassen und Landesbanken für regionale Strukturpolitik ein. Was für das Bankwesen gilt, kann auch auf andere öffentliche Bereiche wie die Wasserversorgung angewandt werden.

Nicht nur gegenüber Brüssel dringen die Länder auf mehr Eigenständigkeit (einige Ministerpräsidenten hielten es für sinnvoll, die Zuständigkeit für die Landwirtschaftspolitik wieder ganz zurückzuverlagern), sondern auch im Bund-Länder-Verhältnis soll es Entflechtungen geben. Stoiber, der mit Clement und dem Stuttgarter Regierungschef Erwin Teufel die Maximalposition vertritt, nennt als Politikfelder, auf denen künftig die Länder alleine entscheiden sollten: die Arbeitsmarktpolitik, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, das öffentliche Dienstrecht, die Hochschulen (zwar jetzt schon Ländersache, doch liegt die so genannte Rahmengesetzgebung beim Bund), die Medienpolitik. Auch ein eigenes Steuerrecht solle den Ländern zukommen, meinen einige Ministerpräsidenten. Mischfinanzierungen und Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern sollten abgebaut werden, fordert Clement. Dafür wäre Stoiber sogar bereit, über eine Reduzierung der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen im Bundesrat zu reden. Jene Ministerpräsidenten, die bisher Vorstellungen vorgetragen haben, wollen Brüssel übrigens meist jene Kompetenzen zuweisen, die bislang Sache der Bundesregierung waren.

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