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Kultur: Europas Alltagsschirm

Bernhard Schulz blickt zurück auf ein Festwochenende

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Feste muss man feiern, wie sie fallen, und wenn das Fest des 50. Jahrestages der Römischen Verträge – der Geburtsstunde der Europäischen Union – in Berlin stattfindet, dann sollen sich die Staatlichen Museen mit einer „Nacht der Schönheit“ von der Schokoladenseite zeigen. „Die Schönheit im Herzen Berlins – es war eine schöne Nacht“, jubilierte denn auch die mit der Veranstaltung beauftragte Agentur. Gestern dann noch Europameile und Feuerwerk. „Freude, schöner Götterfunken“ ist sicher nicht ohne Grund zur Europahymne erhoben worden – wenn auch, um keine Sprache zu bevorzugen, nur in einer von Karajan in drei Fassungen ausgearbeiteten Instrumentalversion.

Da sind wir beim Alltag Europas, der nach dem schwerelosen Wochenende heute wieder einsetzt. Im Alltag der europäischen Kulturpolitik geht es nicht um Götterfunken, sondern um Paragrafen und Geldgeklimper. Es geht darum, den „ganz besonderen Wirtschaftsfaktor“, als den die offizielle EU-Broschüre die Kultur bezeichnet, zu schützen, damit es sie im europäischen Sinne überhaupt noch geben kann – nämlich gerade nicht zuvörderst als Wirtschaftsfaktor, der er selbstverständlich auch und in umfangreichem Maße ist, sondern als Ausdruck und Selbstvergewisserung der vielen nationalen und regionalen Sprachen und Identitäten, aus denen der europäische Teppich gewebt ist. Und gerade weil dies so ist und bleiben soll, kann europäische Kulturpolitik nie mehr sein als mit Deklamationen verzierte Hilfestellung. Die „Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes“, wie sie der Maastrichter Vertrag von 1993 zur Rechtsnorm erhoben hat, bleibt eine beständige Aufgabe, die am jeweils konkreten Ort zu leisten ist, von Magdeburg, das im vergangenen Jahr des Heiligen Römischen Reiches als halb Europa umspannenden Staatsgebildes gedachte, bis Santiago de Compostela, wohin ein gleichfalls halb Europa durchquerender, mehr und mehr restaurierter Pilgerweg führt. Von Griechenland als Sehnsuchtsort gesamteuropäischer Romantik bis zur Ostsee, die über die Hanse dichter verwoben war als jemals hernach. Überall bedarf es der lokalen Anstrengung, das kulturelle Erbe zu bewahren und zugleich um die Schöpfungen von heute zu vermehren. Dass Europa dafür zumindest den rechtlichen Schutzschirm bietet, ist Anlass genug zur Freude.

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