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Sehr frei nach Ibsens „Nora“: Eine Szene aus „Noraland“ von LeinzLieberman.

© Ulrich Leinz

„Expat Expo“-Festival: Wundertüte des internationalen Theaters

Eine Plattform für Künstlerinnen und Künstler der Freien Szene, die auf Zeit in Berlin leben: Das „Expat Expo“-Festival am English Theatre Berlin.

Derart reflektierte Barbie-Puppen erlebt man selten. Uta, Ulla und Ursula sitzen am Rand des Podests, auf dem Shlomo Lieberman und Orlando Rodriguez eine Choreografie vollführen, sehr frei nach „Nora“. Dabei kommentieren sie das Geschehen als kritische Theatergängerinnen: „Was gibt’s heute?“ – „Eine Ibsen-Adaption.“ – „Und was machen dann die beiden schwulen Jungs hier?“

Später orakelt Ulla: „Wahrscheinlich mussten sie heiraten, um in Berlin bleiben zu dürfen“, und Ursel analysiert scharfsinnig: „Ich hab das Gefühl, dass es in dem Stück um was Verborgenes geht“. Die beiden Performer lassen sich derweil nicht aus der Ruhe bringen und umkreisen Ibsen in Ellipsen. Übrig sind nur einzelne Sätze: „I was never happy“, „You have never understood me“. Warum sollten Emanzipationsfragen den heterosexuellen bürgerlichen Kreisen überlassen bleiben?

„Noraland“ heißt das Stück von LeinzLieberman & Orlando Rodriguez, das am English Theatre Berlin Premiere feierte, beim Festival Expat Expo. Das zeigt in seiner sechsten Ausgabe eine Woche lang Uraufführungen der internationalen Freien Szene Berlins jenseits der etablierten Kontexte von HAU, Sophiensälen oder Ballhaus Ost. Von überall her kommen die Teilnehmer, die Arbeitssprache ist Englisch, das Programm eine Wundertüte. Ein bisschen wie früher das „100° Festival“ ist Expat Expo, eine Plattform für Künstlerinnen und Künstler, die auf Zeit in Berlin leben oder hier hängenbleiben.

Das Festival verspicht noch einige Entdeckungen

Im Zwei-Frauen-Stück „Integrate’er“ geht es um das Transitgefühl und die Fremdheit, um schnoddrige Berliner, die am Telefon zu schnell Deutsch sprechen, um Zukunftsentwürfe mit geringer Halbwertzeit. Iva Topolovec aus Kroatien und Salber Williams, die ihre Wurzeln in Portugal und Zimbabwe hat, spielen ein Paar, das anzukommen versucht und sich darüber zu entzweien droht. Sehr ungekünstelt und unverblümt in Szene gesetzt.

Wie grandios einfach Theater funktionieren kann, beweist auch die Solo-Performance „Brunch Lady“ der Australierin Katie-Rose Spence. Sie spielt eine ziemlich exzentrische Madame, die trotz ihres Behangs mit Fuchsstola womöglich auf Parkbänken nächtigt und einen Zuschauer ihrer Wahl zum Do-it-yourself-Brunch einlädt. Aus den Tiefen ihres ausgeklügelten Fundgrubenkostüms fördert sie dabei alles zutage, was ein romantisches Spätfrühstück braucht, vom improvisierten Kaffeesieb über den Piccolo bis zur Orange für den mundgepressten Saft. Was für ein Slapstick-Talent!

Klar, wo viel gezeigt wird, ist nicht alles Gold. Zwischen den Highlights muss man auch Strapaziöses wie das „Gruesome Manifesto“ absitzen, bei dem die Performerin Cher Nobyl im grünen Nebel die kommende Apokalypse beschwört. Im Gegenzug verspricht dieses „Immigrant Invasion Festival“ (Untertitel) noch einige Entdeckungen. Vom surrealen Kabarett der Gruppe Opera Chaotique bis zur Konzertperformance mit Elektro-Akkordeon.

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