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Kultur: Explosion unvermeidbar

Warum Erich Marx mit seiner Sammlung den Hamburger Bahnhof verlassen möchte

Stand:

Herr Marx, gibt es nach der Trennung Heiner Bastians vom Hamburger Bahnhof noch eine Zusammenarbeit mit ihm außerhalb des Museums?

Der Abschied von Heiner Bastian kam auch für mich überraschend. Der übrige Bereich der Zusammenarbeit bleibt erhalten. Ich befinde mich nun in einer schwierigen Position. Aufgrund meines Alters hätte ich die Sammlung gerne in festen Händen gewusst: sowohl bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als auch in der Betreuung durch Heiner Bastian.

Warum braucht die Sammlung überhaupt einen Heiner Bastian zur Betreuung?

Das ist der entscheidende Punkt im gegenwärtigen Streit. 1996 wurde der Hamburger Bahnhof für die Sammlung Marx errichtet. Sammlung und Museum bildeten damals eine Identität. Die Bezeichnung „Museum für Gegenwart“ hat zu einer Spaltung geführt, denn der Name meiner Sammlung ist darin nicht erwähnt. Das bedeutet, dass der Hamburger Bahnhof für Gegenwartskunst offen zu sein hat; die Kuratoren des Hauses fühlen sich dem verpflichtet. Mit der Zeit ist meine Sammlung immer weiter von der Gegenwartskunst abgerückt. Dadurch hat die akute zeitgenössische Kunst Raum gewonnen. Viele der Auseinandersetzungen in der vergangenen Zeit gingen vor allem darum: Wer macht wo welche Ausstellungen? Ich habe zunehmend das Gefühl, nur noch geduldet zu sein. Meine Sammlung bildet nicht mehr den Kern des Museums. Deswegen brauche ich jemanden, der für die Existenz meiner Sammlung am Haus kämpft – und das war Heiner Bastian. Durch seinen Weggang ist für mich eigentlich kein Raum mehr da.

Was bedeutet das in der Konsequenz für Sie im Hamburger Bahnhof?

Die Sammlung wird, so wie sich die Dinge entwickeln, immer mehr an den Rand gedrängt. Das kann ich nicht zulassen.

Wollen Sie sich also zurückziehen?

Ja, am liebsten sogar sofort.

Wäre das überhaupt möglich? Es gibt doch vertragliche Vereinbarungen.

Das ist vollkommen richtig. Der Vertrag wurde sogar erst im Dezember 2005 neu unterschrieben, weil ich da noch glaubte, mich in guten Händen zu befinden.

Und jetzt: Ist es möglich, diesen neuen Vertrag zu lösen?

Ich denke über alles nach, um es vorsichtig zu formulieren. Es sind nicht nur die aktuellen Dinge, sondern es gibt auch Dinge in der Vergangenheit, die ich nicht vergessen kann.

Dann ist also die Trennung Bastians vom Hamburger Bahnhof nur Vorgeplänkel?

Heiner Bastian ist der Vertreter meiner Sammlung am Hamburger Bahnhof. Wenn er ausfällt, gibt es ein Lücke im Vertrag. Ich habe dem Stiftungspräsidenten und dem Generaldirektor einen entsprechenden Brief geschrieben. Jetzt wird es Gespräche geben mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ich muss darauf bestehen, dass die permanente Auseinandersetzung über die Räume, über die Präsentation meiner Sammlung endet. Die aggressive Art, mit der Heiner Bastian die Dinge benannt hat, hat die Sache nur ans Licht gebracht.

Erst zuletzt haben Sie eine Neuerwerbung für das Museum getätigt, die derzeit gezeigte Installation von William Kentridge ...

Auch das bereue ich jetzt. Denn es hat keinen Zweck, wie sich zeigt. Letztlich werde ich nur hingehalten. Ich möchte keine Personen angreifen, wie es Heiner Bastian getan hat. Mir geht es ums Grundsätzliche. Die Betreuung durch einen Kurator des Hauses allein genügt nicht, denn er steckt in einem Dilemma: Einerseits soll er der Vertreter meiner Sammlung sein, andererseits trägt er die Verantwortung für den inzwischen hochgepumpten Preis der Nationalgalerie.

Das klingt, als ob das öffentliche Museum und der private Sammler niemals zusammenkommen können.

Das ist genau das Schlimme. Hinzu kommen unterschiedliche Auffassungen über Qualität in der aktuellen Kunst. Für die Ausstellung „Berlin North“ wurde als Skulptur eine Holzwand vor die Haupthalle installiert und damit meine Sammlung komplett abgeschottet. Das muss man mir erst einmal erklären, worin da die Kunst besteht. Am Hamburger Bahnhof existiert ein völlig anderes Verständnis von Kunst. Wie soll das harmonieren? Es geht nicht um Macht. Das ist lediglich ein anderer Ausdruck für die Verwirklichung von eigenen Ideen.

Ist dieser Konflikt ein spezifisches Berliner Problem? In anderen Städten kennt man solche heftigen Auseinandersetzungen zwischen öffentlichem Museum und Privatsammler nicht.

Da liegt natürlich mit an der Person Heiner Bastians. Er hat sich dafür verantwortlich gefühlt und nimmt kein Blatt vor den Mund. Auf der anderen Seite gibt es diese irrsinnigen Empfindlichkeiten. Da muss es zu Explosionen kommen.

Wäre es denn für Sie eine Perspektive, in die Neue Nationalgalerie umzuziehen, wenn es irgendwann einmal ein Kulturforum der Moderne gibt?

Ich glaube nicht mehr daran. Das ist schon vor fünf Jahren gesagt worden.

Würden Sie am liebsten ein eigenes Museum gründen?

Das ist ein anderes Thema. Aber Gedanken habe ich mir dazu schon gemacht.

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

ERICH MARX , 86, geboren bei Lörrach, betreibt eine Gruppe von Reha-Kliniken in Deutschland. Seine Kunstsammlung befindet sich seit 1996 im Hamburger Bahnhof in Berlin.

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