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Kultur: Feuerreiter und Salonschlager

LIED

Lästige Rezensenten befördert man am besten mit einem Fußtritt die Treppe hinunter. Diese Lehre aus einem der köstlichsten Lieder von Hugo Wolf erteilt Robert Holl mit drohendem Augenrollen und messerscharfer Sprache, mit bald markigen, bald boshaft einschmeichelnden Tönen. Da gluckst es im Publikum. Mit opernhafter Verve und eherner Stimmgewalt, der jedoch auch Feines und Flexibles zu Gebote steht, nähert sich Holl – ein gefragter Hans Sachs in Bayreuth oder Landgraf Hermann an der Berliner Staatsoper – diesem zweiten Teil des Hugo-Wolf-Projekts im Konzerthaus . Schmelzend strömt die Stimme in den ersten Mörike-Gesängen, findet dann bei den irrlichternden „Geistern am Mummelsee“ zu differenzierterer Artikulation. „Auf eine Christblume“ ist erster Höhepunkt entspannter Gestaltung, und im rasant vorangetriebenen „Feuerreiter“ zeigt auch die so sensibel wie kraftvoll agierende Klavierpartnerin Elena Bashkirova, was sie alles kann.

Doch dieser dezidierte Gestaltungsanspruch wird den Interpreten auch zum Verhängnis. Immer wieder verdeckt rubatogeschwängertes, klanglich verdicktes Pathos Wolfs Modernität, rückt seine empfindlichen Wort-Ton-Gebilde ins Licht fragwürdiger Romantik-Klischees. Muss etwa „Verborgenheit“ so schwülstig verschleppt werden? Hier stellen sich auch allerlei von unten hochgeschleifte Töne ein, und so entsteht eher Betulichkeit als stille Innenschau. Warum erhält „Anakreons Grab“ (Goethe) kein natürlich fließendes, gefährlicher Süßlichkeit entgegen wirkendes Tempo, sondern wird in überpointierte Einzelteile zerhackt? Einfachheit täte solchen Liedern, ehemalige Salonschlager unserer Großmütter, gut. Die künstliche Welt des „Italienischen Liederbuchs“ kommt Holl besser entgegen, ebenso wie er das hochgemute Pathos und die tiefe Melancholie der „Michelangelo-Lieder“ mit ebenmäßigerer Linienführung und plastischem Leben erfüllt.

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