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Napo Kalebe in "Mother, I Am Suffocating. This Is My Last Film About You".

© Lemohang Jeremiah Mosese

Film aus Lesotho im Berlinale-Forum: Geliebte, gehasste Heimat

Lemohang Jeremiah Mosese lebt in Berlin.In seinem Film „Mother, I Am Suffocating. This Is My Last Film About You“ rechnet er mit Lesotho ab.

Nebelschwaden ziehen über die Landschaft von Lesotho, Wasser plätschert, Händler sortieren Gemüse, Schafe werden auf den Markt geführt, Arbeiter in der Textilfabrik sitzen konzentriert vor ihren Nähmaschinen. Der Alltag kennt keine Rast, raue Hände zeugen von schwerer Arbeit. Alles bewegt sich im selben Rhythmus, träge, beschwerlich, freudlos, in schwarz-weißen Bildern. Die Frau, die fast unter der Last des massiven Holzkreuzes zerbricht, das sie auf ihrer Schulter trägt, zieht unbeeindruckte Blicke auf sich. Sie wird begleitet und ist doch allein.

Es ist ein düsteres Porträt seiner Heimat, das Lemohang Jeremiah Mosese in seinem Film abbildet – als Spiegel der eigenen Zerrissenheit, wie er sagt. Er habe seinen Frust auslöschen wollen, den Frust über die Beziehung zu Lesotho, die einerseits von Liebe, andererseits von Hass geprägt sei. Der Titel „Mother, I Am Suffocating. This Is My Last Film About You“ ist nur ein Vorgeschmack auf die anklagenden Worte, die die Erzählerin aus dem Off gegen die Missstände im Land richtet, aber genauso gegen den Betrachter, der zum Mitwisser und damit zum Mittäter wird. „Du verdienst deinen Krieg“, sagt die Stimme, wobei es ihr nur mühsam zu gelingen scheint, die harten Worte zu formulieren. Es knistert und knackt, als sei die Verbindung gestört, dann ist wieder ein tiefes Seufzen zu hören. Was sich abspielt, erscheint aus europäischer Sicht weit entfernt, unterstrichen wird der Eindruck durch die in schwarz-weiß gehaltenen Bilder. Und doch ist man als direkter Adressat involviert. Das Gefühl der Machtlosigkeit wächst. Momente der Stille sind ohrenbetäubend laut.

Nichts erinnert in Berlin an die Heimat

Es sei für ihn ein Kraftakt, in Deutschland über seine Heimat zu sprechen, sagt Mosese, der 1980 geboren wurde. Hier sehe er sich zu sehr mit der „weißen Perspektive“ auf Afrika konfrontiert. „Ich befinde mich immer dazwischen“, sagt er im Gespräch. „In Berlin habe ich das Gefühl, ich gehöre hierher, dennoch bin ich kein Teil.“ Genauso sei es in Lesotho. Er kam vor sieben Jahren im Rahmen des Nachwuchsprogramms Berlinale Talents hierher, ihm gefiel die Stadt und er blieb. 2017 fasste er den Entschluss, dauerhaft nach Lesotho zurückzukehren, er war sich sicher. Aber im Süden Afrikas angekommen, wuchsen Aggressionen in ihm. Nach nur sieben Monaten kam er wieder in Berlin an, mit dem Film im Gepäck.

Es sei ihm wichtig gewesen, die Rollen an enge Vertraute aus seinem Bekanntenkreis zu vergeben. Nur mit ihnen konnte er sich über die Gefühle gegenüber der gemeinsamen Heimat austauschen, wo Armut und Perspektivlosigkeit Leben zerstören. Ganz unterschiedliche Protagonisten treten auf: ältere Herren, spielende Kinder, junge Frauen, deren Schleier im Wind flattern. Sie alle bleiben stumm, wodurch die Bilder noch eindrucksvoller werden. Ihre Ästhetik zieht magisch an.

Wenn die Worte an „Mutter“ gerichtet werden, ist aber nicht nur sein Geburtsland gemeint, sondern tatsächlich auch die Frau, die ihn geboren hat. „Wann hat das alles angefangen?“, fragt die Erzählerin. Bücher seien durch die Bibel ersetzt worden, heißt es. Er wolle niemanden bloßstellen, so Mosese. Fast in jedem Haushalt in Lesotho sei eine Bibel zu finden. Dass es keine anderen Bücher gibt, das ist es, was er als entmutigend empfindet. Den Gegenpart zu Prediger und Schafen übernimmt im Film ein queerer Engel mit knappem Shirt und geschminkten Lippen. „Kino ist für mich wie ein Tanz“, sagt Mosese. Es mache alles möglich. Für ihn bedeute das, die Probleme seines Landes ungefiltert darstellen zu können, wenn auch anhand einer fiktiven Geschichte.

Lemohang Jeremiah Mosese
Lemohang Jeremiah Mosese

© Hannah Stockmann

Der Filmemacher hat eigene Erfahrungen in sein Werk einfließen lassen, aber auch Anknüpfungspunkte für diejenigen gelassen, die eine andere Auswanderergeschichte haben als er, die etwa von Flüchtlingsbooten gerettet wurden. „Ich bin lieber Immigrant in einem fremden Land, als in deinem Leib zu leiden“, sagt später die Stimme aus dem Off. Denn nichts in Berlin würde an die Heimat erinnern, nur die Drogendealer im Park und die Abspüler im Restaurant. Ob es ihnen besser geht als in Lesotho, das bleibt offen. Die Erzählerin jedenfalls zieht diese Assoziation mit Heimat ihrer eigentlichen Erinnerung an das Heimatland vor. Ein bitteres Fazit.

14.2., 16.30 Uhr (Delphi), 16.2., 19.15 Uhr (Cinestar 8)

Helena Davenport

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