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Kultur: Forum: Hoffnung führt nur zu Enttäuschungen

So lasset, die ihr hier eintretet, alle Hoffnung fahren, könnte als Motto über seinen Filmen stehen. Der Ungar Béla Tarr ist ein Lehrmeister der Verzweiflung: der größte, den das Kino zurzeit hat.

Von Gregor Dotzauer

So lasset, die ihr hier eintretet, alle Hoffnung fahren, könnte als Motto über seinen Filmen stehen. Der Ungar Béla Tarr ist ein Lehrmeister der Verzweiflung: der größte, den das Kino zurzeit hat. Nichts Schöneres, Nützlicheres und Produktiveres, sagt er, als alle Erwartungen zu begraben. Denn der Lauf der Dinge, ihr undurchschaubares Gesetz, sabotiert jede Erwartung. Hoffnung führt nur zu Enttäuschungen. Man ist nicht frei, solange man noch Hoffnung hat.

"Satanstango", sein siebeneinhalbstündiges Opus magnum, erzählte vom vergeblichen Warten einiger ungarischer Tiefebenenbewohner auf Erlösung. "Werckmeister Harmóniák" (Die Werckmeisterschen Harmonien) erzählt in knapp zweieinhalb Stunden von der Zwecklosigkeit des Aufstands gegen eine Welt, die sich keine andere Ordnung als die eigene aufzwingen lässt: weder eine menschliche noch eine barbarische. Wie lächerlich ist in der ersten Szene schon der Wunsch an Valuska (Lars Rudolph), einen Haufen sturzbetrunkener Zecher zur Sperrstunde so in der Kneipe zu arrangieren, dass sie sich wie die Planeten um die Sonne drehen: Allein das wirkt wie eine Komödie für sich, wie vielleicht das Ganze eine göttliche Komödie ist, nur dass ihr der Gott abhanden gekommen ist.

Valuska, ein junger Mann, und Herr Eszter (Peter Fitz), ein älterer: Der eine stürzt allmählich in den Wahnsinn, der andere erwacht aus seiner Apathie, und beide tun es aus demselben Grund. Auf dem Marktplatz des namenlosen Ortes, in dem sie zu Hause sind, hat sich, mitten im schneelosen Winter, vor einem Zirkuswagen eine Masse zusammen gerottet, die dabei ist, die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Ein Prinz, der zusammen mit einem ausgestopften Wal die Attraktion des Zirkuswagens ist scheint sie aufzuwiegeln, obwohl er nie zu sehen ist, und ihnen auch den Sturm auf das Krankenhaus nahegelegt zu haben. Und doch ist es eine täppische, eine ungelenke Revolution, die sie da veranstalten, in ihrer Wut so mechanisch wie der Trott zuvor.

"Werckmeister Harmóniák", gedreht in einem prächtigen Schwarzweiß, ist auch in diesen Augenblicken ein Kino der Langsamkeit, des Atmens, der Fermaten: Jede Geste hat Zeit, zu ihrem Abschluss zu kommen und mit einer anderen verknüpft zu werden. Tarr stellt die Zeit nicht still, er gibt ihr einen menschlichen Takt. Das ist mehr, als man nach dem Motto hoffen dürfte, das über László Krasznahorkais Roman "Melancholie des Widerstands" steht, der Tarr als Vorlage gedient hat: "Es vergeht, aber es geht nicht vorüber."

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