Kultur: Fremdgefühl
Tuyen spricht besser Englisch als Vietnamesisch und isst lieber Kartoffeln als Reis. Eine vorbildliche Integrationsbiografie.
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Tuyen spricht besser Englisch als Vietnamesisch und isst lieber Kartoffeln als Reis. Eine vorbildliche Integrationsbiografie. Doch obwohl die junge Künstlerin in ihrer Heimatstadt Toronto mit allem zutiefst verbunden ist, steht sie stets ein wenig abseits. Schaut von schräg unten auf die Metropole. Diesen Blick teilt sie mit ihren Freunden Carla, Oku und Jackie, deren Eltern ebenfalls in anderen Ländern geboren wurden. Alle vier haben mit aufreibenden Familienverhältnissen zu kämpfen. Dionne Brand weiß, wie es sich anfühlt, als Fremde nach Toronto zu kommen. Die heute 54-Jährige zog mit 17 Jahren aus Trinidad in die kanadische DreiMillionen-Stadt. Mit ihrem dritten Roman „Wonach sich alle sehnen“ hat Brand, die vor allem als Lyrikerin bekannt wurde, ihrer Stadt ein beeindruckendes Porträt geschenkt. Sie verwebt die Geschichten ihrer Protagonisten mit der Topografie. So lernt man beiläufig, wie die reichen Einwanderer in Richmond Hill leben, wie es im heruntergekommenen Alexandra Park zugeht, wer sich auf dem Kensington Market herumtreibt und wie es Anfang der Achtziger in den schwarzen Nachtclubs aussah. Dazu pulst der Verkehr und jede Menge Musik durch dieses lebendige, kluge Buch, dessen Intensität durch die fahrige Übersetzung leider etwas gebremst wird.
Dionne Brand: Wonach sich alle sehnen. Roman. Aus dem Englischen von Matthias Müller. Atrium Verlag, Zürich 2007. 384 Seiten, 19,90 €.
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