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Musik in Bewegung. Das Babylon Orchestra.

© Babylon Orchestra

Babylon Orchestra: Fusion furios

Wider Schall und Brauch: Das Babylon Orchestra sprengt im Heimathafen Neukölln musikalische Genregrenzen.

Plötzlich gerät das Orchester in Bewegung: Musiker tragen ihre Instrumente die Bühnentreppe hinab in die Zuschauerreihen, Saxofon und Trompete beginnen ein Katz-und-Maus-Spiel, zwischen einer Ney-Flöte und einer Bassklarinette entwickelt sich ein Flirt, zwei Geigen führen ein schwesterliches Gespräch. Beim Finale des zweieinhalbstündigen Konzerts ist der Raum ein letztes Mal von der Freude der Grenzenlosigkeit der Musik erfüllt. Im Heimathafen Neukölln wirkt das sinfonische Schauspiel wie das Durchbrechen der vierten Wand im Theater.

Schon zu  Beginn hatte MAias Alyamani, der Leiter des aus vier Streichern und einem Perkussionisten bestehenden MAqam Ensembles, den Kontakt zum Publikum gesucht: Der syrische Violinist streut Anekdoten ein, die zu der Entstehung seiner Kompositionen führten, dramatische wie ein Moscheebesuch zum Beginn des Bürgerkrieges in Syrien, aber auch erheiternde. Der Mix des Ensembles aus arabischen Klängen, Jazzrhythmen und rockoperesken Elementen wirkt ungewohnt und fesselnd zugleich.

Freude an der Improvisation

Das Quintett aus Musikern des Qatar Philharmonic Orchestra, das unter Alyamani die klassische Ausbildung „ein bisschen anders, ein bisschen mutiger“ auslebt, legt den Grundstein für einen Abend, der auf unroutinierte Art und mit spontanem Formationswechsel die Freude an der Improvisation greifbar macht.

Wie selbstverständlich überschreitet auch das Orchester von Mischa Tangian mit seinen okzidentalen und orientalen Elementen die Grenze musikalischer Traditionen: Mal scheint man vom Big-Band-Sound in einen Noir-Film versetzt, mal verwandeln die Streicher eine syrische Melodie zur Jazzrock-Ballade. Gastauftritte des Qanoon-Spielers und Komponisten Osama Abdulrasol und der libanesischen Geigerin Layale Chaker komplettieren ein faszinierendes Fusion-Konzert, das neben der vierten Wand auch alle musikalischen Erwartungen durchbricht. Und damit einmal mehr beweist, dass Genres in der Musik nichts weiter sind als Schall und Brauch.

Jakob Wittmann

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