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Kultur: Ganz famos

Schon auf CD: das Wiener Neujahrskonzert.

Live dabei zu sein, wenn die Wiener Philharmoniker ihr Neujahrskonzert geben, ist wie ein Sechser im Lotto: 100 000 Anfragen gehen jedes Jahr in der österreichischen Hauptstadt ein, per Losverfahren werden die Auserwählten ermittelt, die zu Preisen von 30 bis 940 Euro am 1. Januar im Goldenen Saal des Musikvereins ihre Plätze einnehmen dürfen.

Es war Clemens Krauss, der 1939 die Tradition der Strauss-Programme begründete. Nach seinem Tod 1954 übernahm Konzertmeister Willy Boskovsky 24 Jahre lang die Leitung der Matinee, ab 1980 dann Lorin Maazel, bis das Orchester 1987 dazu überging, wechselnde Gastdirigenten einzuladen. Diesmal hatte man Mariss Jansons erwählt.

Seit sich 1959 erstmals das Fernsehen für die Veranstaltung interessierte, ist das Neujahrskonzert ein globales Medienereignis geworden Mittlerweile wird es in 70 Länder ausgestrahlt. Mögen die Fans es als klingendes Glücksschweinderl empfinden – für das Orchester (und die Firma Sony) ist es eine echte cash cow. Binnen weniger Tage wird der Mitschnitt darum auch auf CD gepresst und als Doppel-Album in den Handel geworfen. Wer die obligatorischen, aufgezeichneten Balletteinlagen mag, kann ab 20. Januar die DVD-Version erstehen.

Ein heiteres Zitate-Raten veranstaltet Mariss Jansons gleich in den ersten beiden Nummern: Im „Vaterländischen Marsch“, den Johann Strauss 1859 zusammen mit seinem Bruder Josef komponierte, sind Haydns Kaiser-Quartett (bis 1919 die Melodie zu Österreichs Nationalhymne) sowie der Radetzky- und der Rakoczy- Marsch zu entdecken, durch die „Rathaus-Ball-Tänze“ von 1890 geistert die blaue Donau. Witzig ist auch Hans Christian Lumbyes „Copenhagener Eisenbahn-Dampf-Galopp“ (als Hommage an die dänische EU-Ratspräsidentschaft gedacht), den Jansons zur Mini-Tondichtung ausgestaltet. Richtig rassig geht er die Carmen-Quadrille an, in der Eduard Strauss alle Hits der Bizet-Oper dreist verschweißt hat.

Überhaupt ist Jansons Zugriff auf die k.u.k Unterhaltungsmusik alles andere als zimperlich. Schnellpolkas haben bei ihm die schnittige Eleganz französischer Can-Cans, die Schlagzeuger dürfen auf ihren Pauken und kleinen Trommeln so manchen Korken knallen lassen, das Rumpelige in Carl Michael Ziehrers „Wiener Bürger“-Walzer versucht er gar nicht erst zu glätten. Ein famoses, energiegeladenes, rhythmisch scharf konturiertes Musizieren ist das, mit Inseln des Innehaltens – vor allem bei den Passagen aus Tschaikowskys „Dornröschen“ – und Momenten schwelgerischen aber nie süßlichen Melodiegenusses. Wie lang diese Kurzweil dauert, ist dem CD-Beiheft allerdings nicht zu entnehmen: Die üblichen Zeitangaben zu den einzelnen Nummern hat man bei Sony im Furor des Schnell- auf-die-Ladentische schlicht vergessen.

Bis zum 23. Januar kann man sich übrigens auf der Website der Wiener Philharmoniker noch als Aspirant auf Karten für das Neujahrskonzert 2013 registrieren lassen. Frederik Hanssen

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