
© dpa/Helmut Fricke
Georg-Büchner-Preis : Ganz oben im Elfenbeinturm, weit über Handke
Mehr Aufmerksamkeit für die Literatur? Bitte nicht! Die Verleihung des diesjährigen Büchner-Preises an den Lyriker Oswald Egger ist eine reichlich entlegene Entscheidung.

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Es war in dieser Woche wieder ein munteres Spekulieren, wer denn wohl in diesem Jahr den Georg-Büchner-Preis erhalten würde. Nachdem vergangenes Jahr mit Lutz Seiler ein Mann ausgezeichnet worden war, kursierten bevorzugt die Namen von Schriftstellerinnen wie Esther Kinsky, Anne Weber oder auch Jenny Erpenbeck, selbst wenn das bei letzterer etwas befremdlich nachgeklappt gewirkt hätte nach dem International-Booker-Prize-Aufgalopp.
Und dann die Verkündigung am Freitagvormittag: Oswald Egger. Was hat die Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt denn da für ein Hafer gestochen, fragte man sich, namentlich den Akademiepräsidenten Ingo Schulze, seine Vizes Rita Franceschini, Olga Martynova und Lothar Müller sowie einige Beisitzer und Beisitzerinnen wie zum Beispiel Lukas Bärfuss, Maja Haderlap oder Daniela Strigl und den Ehrenpräsidenten Klaus Reichert.
Was soll das?
Die Entscheidung hat etwas sehr Entlegenes, bei aller Sprach- und Kunstfertigkeit von Eggers Lyrik. Niemand muss dessen Arbeiten lesen, das ist klar, aber auch nur wenige können das und haben ihren Spaß dabei. Was also soll das?
In einer Zeit, in der die Literatur nicht den leichtesten Stand hat, viele Autoren und Autorinnen gerade mit Büchern von einiger literarischer Qualität kaum nennenswerte Auflagen erzielen, zeichnet die Darmstädter Akademie einen Sprachartisten aus, der im Elfenbeinturm noch einmal mindestens zwei Etagen über Peter Handke zu Hause ist. Mit einem Preis, der als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland gilt. Wenngleich nicht mehr als höchstdotierte, das ist inzwischen der Joseph-Breitbach-Preis.
Definitive Absage an Midcult
Das kann man super finden, diese Form von Unabhängigkeit, die Absage an jede Form von leichtgängiger Middle-of-the-Road-Literatur sowieso, von Midcult, aber auch an Höherwertiges. Zumal es Lyrik, und erst recht diese nochmal spezielle von Oswald Egger schwer hat auf dem Markt.
Doch das Gütesiegel „Georg-Büchner-Preis“ stellt so kaum noch eine Einladung zum Entdecken von Büchern und Werken dar, so wie es zumindest in den vergangenen Jahren bei Lutz Seiler, Emine Sevgi Özdamar und Clemens J. Setz der Fall war. Kein Midcult, sondern Literatur auch als Kunstform. Zu schweigen von altgedienten, hochverdienten Autoren wie Christoph Hein, Uwe Timm oder Michael Köhlmeier, die den Preis in diesem, ihrem Leben wohl nicht mehr bekommen werden.
Die diesjährige Entscheidung ist etwas für Spezialisten und leider nicht geeignet, der Literatur wieder zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.
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