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Ein Flüchtlingstreck 1945 auf dem Weg von Ostpreußen nach Westen während einer Rast.

© picture alliance/dpa

Gerechtigkeit für Ostpreußen: Jochen Buchsteiner begibt sich auf die Spuren seiner Großmutter

Tragik, Einzigartigkeit und Faszination: Der politische Journalist Jochen Buchsteiner porträtiert die einstige deutsche Provinz Ostpreußen. Er tut das ohne jede revisionistische Tendenz.

Von Hans Monath

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Zwei Generationen nach „Zeit“-Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff („Namen, die keiner mehr nennt“) hat sich wieder ein deutscher Journalist aufgemacht, eine inzwischen fast vergessene einstige deutsche Provinz in ihrer Tragik, Einzigartigkeit und Faszination zu porträtieren.

In seinem Buch „Wir Ostpreußen. Eine ganz gewöhnliche Familiengeschichte“ schildert Jochen Buchsteiner nicht nur sehr detailliert die dramatische Flucht seiner Großmutter, die im ostpreußischen Götzlack einen Gutshof betrieben hatte, nach Westen im Jahr 1945.

Buchsteiner lässt mit der Beschreibung des Gutshofs auch eine agrarische Welt auferstehen, die längst vergangen ist und deren Schauplatz heute in der russischen Exklave Kaliningrad liegt. Und er skizziert unangestrengt, aber kundig die Geschichte und Kultur Ostpreußens, einer Provinz, die inzwischen oft nur noch als Hort des Militarismus und der politischen Reaktion abgetan wird. Doch diese Provinz hat auch den Philosophen Immanuel Kant und den Romantiker E.T.A. Hoffmann hervorgebracht. Ostpreußen „war und blieb ein fast mythischer Ort, wie es im heutigen Deutschland keinen mehr gibt“, heißt es an einer Stelle.

Auch wenn der Autor bedauernd konstatiert, die Vertreibung der Deutschen führe in den historischen Museen unseres Landes ein „stiefmütterliches Dasein“, ist sein Buch frei von jeder apologetischen oder revisionistischen Tendenz. Hier schreibt ein aufgeklärter Zeitgenosse, dessen Blick auf sein Heimatland nach zwanzig Jahren als Journalist im Ausland anders und erfrischend wirkt.

Jochen Buchsteiner gelingt in seinem glänzend geschriebenen, unangestrengt gelehrsamen und anschaulichen Buch ein neuer Blick auf eine Familienerfahrung, die 14 Millionen andere Deutsche teilten und die dieses Land geprägt hat.

Mit seiner Schilderung der Flucht und seiner Erkundung zu Ostpreußen liefert er einen Beitrag, vielen von ihnen ihre Geschichte und ihre Würde zurückzugeben.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Textes hatte der Rezensent dem Autor einen Satz zugeschrieben, der nicht von diesem stammte. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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